Aufstand der Gerechten
die Ärzte sich um die Wunde an seiner
Schulter kümmerten. Unterdessen konnte man nur abwarten, bis es ihm gut genug
ging, um vernommen zu werden.
Sobald wir wieder auf der Wache waren, setzte ich mich mit Patterson
in Verbindung. Seine einzige Sorge galt der möglichst raschen Klärung der
Frage, ob die Kugel, die McEvoy getötet hatte, aus Kieltys eigener oder aus
Finn McCarrons Waffe stammte. Ich wusste, dass McCarron bereits mit seinem
Gewerkschaftsvertreter in einem der Vernehmungsräume saß und seine Aussage
niederschrieb.
Als ich mein Telefonat mit Patterson gerade beendet hatte, kam Joe
McCready mit einer Mappe herein.
»Die Informationen über Cunningham, um die Sie gebeten hatten, Sir.«
»Großartig, Joe. Danke.«
Er nahm vor dem Schreibtisch, an dem ich saß, Haltung an.
»Ist noch etwas, Joe?«
Er sah sich im Zimmer um, wie um sich zu vergewissern, dass niemand
mithörte. Dann hustete er leise. »Das war ein bisschen heftig heute Morgen.«
Ich nickte. »Allerdings.«
»Haben wir – hätten wir … Sie wissen schon?«
»Hätten wir es verhindern können?«
Er nickte.
Ich wägte meine Antwort gut ab. »Ich glaube nicht. Kielty hatte sich
entschieden, eine Waffe zu ziehen. Er hatte sich entschieden, sich mit seinem
Kind in diesem Zimmer zu verschanzen. Wir haben unser Möglichstes getan.«
Mir war klar, dass ihn das ebenso wenig beruhigte wie mich.
»Ich habe mich gefragt, ob ich vielleicht eine Weile frei haben könnte.
Ich habe heute Nacht nicht viel geschlafen. Ich würde gern duschen und so.«
»Gehen Sie nach Hause, Joe. Danke für Ihre Arbeit hier. Machen Sie
Schluss für heute. Das heute Morgen war für uns alle nervenaufreibend.«
Er lächelte erleichtert. »Danke, Sir«, sagte er, und schon war er
fort. Die meisten neuen Polizisten verbringen eine Weile im Verkehrsdienst,
daher hegte ich keinen Zweifel daran, dass McCready schon einmal einen Toten
gesehen hatte. Ob er aber jemals einen so gewaltsamen Tod miterlebt hatte,
stand auf einem anderen Blatt.
Der Sergeant am Empfang kochte mir eine Kanne Kaffee, und dann
begann ich, Cunninghams Akte durchzuarbeiten. Viele der Informationen waren
naheliegend und lediglich ausführlichere Versionen dessen, was ich bereits über
den Mann wusste.
Jahrelang war er ein führender Paramilitär gewesen und hatte wegen
Mordes im Gefängnis gesessen. Während der Unruhen hatte man ihn verdächtigt,
eine Reihe von Anschlägen geplant zu haben, darunter auch eine
Straßenrandbombe, die ihr Opfer verfehlt hatte und stattdessen unter einem
Kleinbus voller junger Männer explodiert war, die unterwegs zu einem Junggesellenabschied
gewesen waren. Cunningham wurde auch verdächtigt, der Schütze bei drei weiteren
tödlichen Anschlägen gewesen zu sein, allerdings war er niemals erwischt
worden. Als man ihn endlich festgenommen hatte, war dies auf die Aussage eines
jener Informanten hin geschehen, die der Special Branch, eine Sonderabteilung
der britischen Polizei, die damals für Staatssicherheit zuständig gewesen war,
angeworben und für Informationen bezahlt hatte.
Cunningham hatte seine Haftzeit gut genutzt und sich weitergebildet.
Er hatte Politik und Philosophie studiert und einen hervorragenden Abschluss
gemacht. Aus dem Gefängnis hatte er zudem verschiedene humanitäre
Organisationen angeschrieben und argumentiert, die Art seiner Verurteilung
verletze seine Bürgerrechte.
Schließlich war er im Gefolge des Karfreitagsabkommens bedingt aus
der Haft entlassen worden, jedoch war der Straferlass im vergangenen Jahr
widerrufen worden, nachdem er des versuchten Mordes am Anführer einer
rivalisierenden politischen Splittergruppe angeklagt worden war. Zeugen
behaupteten, Cunningham sei auf der Toilette des Blackthorn Inn in Burndrum mit
einer Machete auf den Mann losgegangen. Trotz schwerer Verletzungen hatte das
Opfer sich geweigert, den Namen seines Angreifers zu nennen, und nicht Anzeige
gegen Cunningham erstatten wollen. Die Staatsanwaltschaft im Norden war dennoch
der Meinung gewesen, dass ein Verbrechen vorlag, und so hatte er acht Monate im
Gefängnis gesessen. In dieser Zeit hatte er sich regelmäßig Drogentests
unterzogen, bei denen er stets sauber gewesen war, was ihm dabei geholfen
hatte, seine Freilassung zu erwirken. Allerdings hatten ihn – möglicherweise
wegen seines Angriffs auf den anderen Ex-Paramilitär im Blackthorn Inn – bei seinem
letzten Gefängnisaufenthalt die übrigen Insassen nicht im politischen Flügel
haben wollen,
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