Aufstand der Maenner
meine Adna. Oh, wie sehr sind wir es!« Er drückte ihre Finger, bis sich ihr Gesicht, ohne daß sie einen Laut von sich gegeben hätte, in Schmerzen verzerrte. Immer wieder verfiel sie jeder Offenbarung seiner Kraft.
»Mit den Pferden allein schafft ihr es nicht«, wiederholte sie, doch dieses Mal war es mehr die Erneuerung ihres guten Willens als Widerspruch.
»Mit den Pferden allein nicht, wohl aber mit Pferden und Schiffen. Höre denn«, fuhr er nüchtern und sachlich fort, »ich kenne mehr Leute aus Übersee, als du vielleicht denkst.
Wie sollte ich nicht? Einer von ihnen ist ein Herr vieler Schiffe.«
»War er hier?«
»Selbstverständlich nicht. Und bestimmt nicht mit seinen Schiffen. Aber er wird hiersein mit allen, die er besitzt, wenn wir die Pferde haben - und das ist dann die Wende. Sie muß kommen, du weißt es so gut wie ich. Die Herrschaft wird in letzter Zeit mit einer Härte ausgeübt, die nur ein Beweis ihrer Schwäche ist. Dem Volk muß sein Recht werden. Kannst du es leugnen, und kannst du uns jetzt im Stich lassen?«
»Wenn es mir aber nicht gelingt?«
»Es muß gelingen. Kein Mensch im Hause Belit weiß von deiner Bekehrung. Nicht viel mehr als die Laune einer übersättigten Dame gilt ihnen dein Sprung in die Arena. Laß sie in dem Glauben. Auf deine Eigenschaft als Mädchen mußt du pochen und die Pferde aus den Händen eines nicht dazu befugten Mannes fordern. Das gefällt der Großen Dame! Opfere vor den Altären, zeige ein göttinfürchtiges Wesen -das macht dir Belit geneigt, und schließlich wird sie es als Sünde erachten, die Pferde in den Händen von Männern gelassen zu haben. Haha! Wenn die wüßte! Und inzwischen werde ich auch nicht müßig sein. Ich werde mich um die Lieferung der Kampfstiere bewerben. Auch dabei kannst du mir helfen. Und wenn ich den Zuschlag habe, kann ich dreist um die Erlaubnis bitten, mir eure Herden in Maaletauro ansehen zu dürfen. Die Stiere, versteht sich - von den Pferden kein Wort. Die Dame Belit wird mir ihre Stiere so gut wie einem andern verkaufen, und du mußt sie dazu bringen . . .«
»Ich weiß«, unterbrach ihn Adna, »aber ich versuche es lieber mit . . .«
Der Vorhang teilte sich. Die beiden hatten Garps Kommen überhört. Jetzt stand der Bruder da und verneigte sich tief vor der Schwester. Unwillkürlich hüllte Adna sich fester in ihren Leibschal ein. Sie verstand, das Gewebe zu tragen. Wenn sie sich ihrem Lehrer, einem ehemaligen Sklaven, bei den Übungen auch nackt überlassen hatte — Garp war ein Herr, war ihr Bruder und auf eine ganz andere Weise ein Mann. Ge-schwisterehen galten immer noch als die vornehmsten Verbindungen.
Mit einer Bewegung, deren Anmut und Leichtigkeit ihr Selbstbewußtsein wiederherstellte, warf Adna denn auch das freie und bunte Ende ihrer sonst weißen Umhüllung über die nackte rechte Schulter, womit sie nach ihrer Meinung den gefestigten Standpunkt erlangte, von dem aus sie Verweise zu erteilen berufen sei.
»Oh, mein Herr Garparuda«, meinte sie, »schleichen Sie neuerdings um mein Bad und meinen Schlafraum herum ? Ich bat mir Ihren Knetmeister aus. An Sie dachte ich dabei nicht.«
Die Gelegenheit, mit einem artigen Scherz zu antworten, ließ Garp seiner Gewohnheit nach ungenützt.
»Ich bin hier auf Befehl meiner Schwester«, sagte er steif.
Garp kannte den Raum und wußte auch um die prunkvolle Badewanne nebenan, um jene Wanne mit der wundervollen eingebrannten Borte von Wasserrosen. Bis zu ihm drangen der Dampf und der Duft des Wassers, das die Ehre gehabt hatte, die Glieder der hohen Dame zu umspülen. Das Schlafzimmer selbst enthielt außer dem Lager nur noch zwei Hocker - ein schwarzer Ölkrug stand auf dem sonnengelben Boden - Tücher lagen umher, Spuren einer muskelstärkenden Körperpflege unter den Händen des Tuk.
In einer Wandvertiefung stand die Statuette der Göttin.
Auch dieses Meisterwerk aus Elfenbein und Gold kannte Garp. In Kreta verpflichtete sich die Kunst nicht dem Überlebensgroßen wie in Ägypten. Die kretischen Damen verlangten Kunstwerke, die sie in die Hand nehmen, hätscheln und so in ihre Intimität aufnehmen konnten. Nichts Schreckliches war bei diesen Plastiken an der Göttin zu erblicken. Immer hatte Rhea die mädchenhafte Anmut einer bezaubernden jungen Frau und fast immer die einer modisch gekleideten Dame. Keineswegs das Gleichförmige wurde angestrebt, sondern das Einmalige und Besondere. Im Grunde verherrlichten die kretischen Damen sich selbst in der
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