Aufstand der Maschinen
setzen.
Als er den U-Bahnhof im Stadtzentrum verließ, mußte er einen Umweg machen, weil die Straße durch einen schweren Unfall blockiert war, an dem fünf Fahrzeuge beteiligt waren. Und das viertägige Wochenende begann morgen!
Charles Henry hatte beschlossen, Jerry und Agnes anzurufen, wenn er abends aus dem Büro kam. Vielleicht konnte er die beiden in Jerrys Appartement aufsuchen und vernünftig mit ihnen reden. Das war die moderne Methode. Sie würden bei einem Drink zusammensitzen und ganz sachlich diskutieren.
Diesmal war das Gedränge auf den Straßen erheblich schlimmer als sonst nach Büroschluß, und die Menschen waren alle in gleicher Richtung unterwegs. Charles Henry versuchte Widerstand zu leisten, aber er wurde von diesem Strom mitgerissen, obwohl er heftig protestierte.
Erst als ihn jemand durch das Portal eines riesigen Gebäudes schob, merkte Charles Henry, wohin die Menschen unterwegs waren. Als er auf einen Platz in der gewaltigen Halle gedrückt wurde, fiel ihm auch ein, was sich hier ereignen würde. Heute war Neue-Modelle-Tag, und Joe Honest, der größte Autohändler der Stadt, würde die neuen Dexters enthüllen. Kein Wunder, daß auf den Straßen solches Gedränge herrschte; kein Wunder, daß die Menschen so eifrig in diese Richtung gedrängt hatten.
»Glück gehabt, daß wir Sitzplätze bekommen haben«, stellte der Mann neben Charles Henry fest. Er bot ihm eine Tüte Popcorn an, und Charles Henry akzeptierte dankbar, weil er wußte, daß er heute erst spät zum Abendessen nach Hause kommen würde.
»Wollen Sie Ihren in Zahlung geben?« fragte der Mann.
»Ich ... nun ... ich weiß nicht recht«, antwortete Charles Henry ausweichend. »Ich möchte erst wissen, wie die neuen Modelle aussehen.«
»Ich kaufe mir einen Dexter Dash. Da ist alles dran! Mein Schwager kauft sich auch einen. Haben Sie den Dexter Dash schon gesehen?«
»Nein. Ich dachte, heute abend sei die erste Vorstellung ...«
»Heute werden die neuen Modelle offiziell vorgestellt, aber wer Beziehungen hat, konnte sie schon früher privat besichtigen. Mein Schwager hat die Sache für mich arrangiert. Nicht der Bruder meiner Frau, sondern der Mann meiner Schwester. Vom Bruder meiner Frau würde ich nichts annehmen, gar nichts!«
»Oh? Kommen Sie nicht gut mit ihm aus?« Charles Henry war froh, daß er jemand gefunden hatte, mit dem er sich unterhalten konnte.
»Auskommen? Der Kerl ist pervers!«
»Pervers? Wissen Sie das bestimmt?«
»Natürlich. Wissen Sie, was er nachts tut?«
»Nein.«
»Nun, er ist ein so verkommenes Subjekt, daß er nicht einmal einen Wagen hat. Er leiht sich immer meinen, und an Abenden, an denen ich das Auto selbst brauche ... nun ...« Der Mann lehnte sich zu Charles Henry hinüber, als wolle er ihm etwas erzählen, das nicht für die Ohren der in der Nähe sitzenden Frauen bestimmt war. »Er geht zum Abstellplatz des nächsten Gebrauchtwagenhändlers oder auf Parkplätze und ... und streichelt anderer Leute Autos. Können Sie sich das vorstellen? Ist das etwa nicht pervers?«
In diesem Augenblick wurde die Saalbeleuchtung ausgeschaltet, und das Publikum begann erwartungsvoll zu murmeln. Der Bühnenvorhang teilte sich und gab den Blick auf einen hundertköpfigen Chor und das Los Angeles Symphony Orchestra frei. Das Orchester begleitete den Chor, der beliebte amerikanische Volkslieder sang: »In My Merry Oldsmobile«, »Super Fine 39«, »Little Ford Coupé« und »Highways Are Happy Ways«.
»Wunderbar ... einfach wunderbar!« flüsterte der Mann neben Charles Henry. »Treibt Ihnen das nicht auch die Tränen in die Augen?«
»Ja ... ja, wirklich«, stimmte Charles Henry zu.
Der Chor stimmte schließlich »Gasoline, Gasoline« an, und die Drehbühne begann zu rotieren; Chor und Orchester verschwanden, und das Publikum sah endlich, was man ihm zu sehen versprochen hatte.
»Das ist er, meine Damen und Herrn! Das ist er, Herrschaften!« rief Joe Honest von der Bühne herab. »Über dreißig Zentimeter länger als das letzte Modell!«
Und das war er tatsächlich – inmitten einer Schar ausgesucht hübscher Mädchen.
Er war mindestens dreißig Zentimeter länger als jeder andere Wagen, den Charles Henry bisher gesehen hatte. Er schien fast ausschließlich aus verchromten Teilen zu bestehen und hatte Speere als Stoßstangen und als Schwerter ausgebildete Schlußlichter. Die blitzenden Sicheln an seinen Radkappen ragten etwa einen halben Meter über die Silhouette des Wagens hinaus.
Weitere Kostenlose Bücher