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Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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und sehen dann miserabel aus, doch dafür sind sie zunächst, solange sie noch neu sind, sehr anständig. Mir ging es ja nur um das eine Mal. Ich fragte nach dem Preis: er war nicht niedrig. Nach gründlichem Überlegen entschloß ich mich, meinen Waschbärkragen zu verkaufen. Die fehlende und für mich recht beträchtliche Summe wollte ich borgen, und zwar von Anton Antonytsch Setotschkin, meinem Bürovorsteher, einem bescheidenen, aber gesetzten und zuverlässigen Menschen, der sonst niemandem Geld lieh, dem ich aber bei meinem Eintritt in die Kanzlei von der mich einführenden bedeutenden Persönlichkeit ganz besonders empfohlen worden war. Ich quälte mich fürchterlich; Anton Antonytsch um Geld anzugehen erschien mir ungeheuerlich und schmachvoll. Ich habe sogar zwei, drei Nächte nicht geschlafen, und überhaupt schlief ich damals wenig, ich war wie im Fieber. Mein Herz hielt beklommen an oder begann plötzlich zu klopfen, klopfen, klopfen! … Anton Antonytsch war zuerst sehr erstaunt, dann runzelte er die Stirn, dann dachte er nach, schließlich gab er mir das Geld, nachdem er sich von mir eine Quittung hatte ausstellen lassen, wonach er das geliehene Geld von meinem Gehalt zwei Wochen später einbehalten konnte. So war endlich alles vorbereitet. Ein hübscher Biber ersetzte den schäbigen Waschbär, und ich rüstete mich Schritt für Schritt zur Tat. Ich durfte die Angelegenheit auf keinen Fall überstürzen, sie mußte gekonnt vorbereitet sein, eben Schritt für Schritt. Aber ich muß gestehen, daß ich nach mehreren Versuchen geradezu verzweifelte: wir stießen nicht zusammen, es war nichts zu machen! Wie ich mich auch vorbereitete, wie fest ich auch entschlossen war – es scheint, gleich stoßen wir zusammen –, ich sehe hin – und wieder mache ich Platz, und wieder geht er vorbei, ohne mich auch nur zu bemerken. Ich habe sogar Gebete vor mich hingemurmelt, wenn ich auf ihn zuging, damit Gott mir Entschlossenheit gebe. Einmal war ich schon vollkommen entschlossen, aber es endete damit, daß ich ihm nur vor die Füße kam, weil ich im allerletzten Augenblick, einige Zentimeter vor ihm, wieder mutlos wurde. Er schritt mit größter Seelenruhe über mich hinweg, ich aber flog wie ein Ball zur Seite. In der Nacht darauf lag ich wieder im Fieber und phantasierte. Und plötzlich endete es besser, als man es überhaupt hätte wünschen können. In der vorhergehenden Nacht hatte ich endgültig beschlossen, von meinem verhängnisvollen Vorhaben abzulassen und alles aufzugeben; mit diesem Entschluß ging ich zum letzten Mal auf den Newskij, um zu sehen, wie ich das alles so einfach aufgeben würde. Plötzlich, drei Schritte vor meinem Feind, entschloß ich mich, ganz unerwartet, drückte die Augen zu und – wir stießen gehörig Schulter gegen Schulter! Keinen Zentimeter war ich ausgewichen und ging, mit ihm auf gleichem Fuße stehend, an ihm vorbei! Er blickte sich nicht einmal um und tat, als ob er überhaupt nichts bemerkt hätte; aber er tat nur so, davon bin ich überzeugt. Bis auf den heutigen Tag bin ich davon überzeugt! Natürlich bekam ich mehr ab als er, er war viel stärker, doch darum ging es nicht. Es ging darum, daß ich mein Ziel erreicht und meine Würde gewahrt, daß ich nicht einen einzigen Schritt nachgegeben und mich öffentlich mit ihm auf die gleiche soziale Stufe gestellt hatte. Ich bin vollkommen gerächt nach Hause zurückgekehrt. Ich war begeistert, ich triumphierte und sang italienische Arien. Selbstverständlich brauche ich Ihnen nicht zu beschreiben, was drei Tage später in mir vorging; wenn Sie mein erstes Kapitel, das »Kellerloch«, gelesen haben, so werden Sie es erraten. – Der Offizier wurde später irgendwohin versetzt; seit vierzehn Jahren habe ich ihn nicht gesehen. Was mag mein Täubchen wohl jetzt treiben? Über wen hinwegschreiten?

III
    Ich traf bei ihm noch zwei meiner früheren Schulkameraden an. Offensichtlich besprachen sie etwas sehr Wichtiges. Meinem Eintritt schenkte keiner von ihnen sonderliche Aufmerksamkeit, was eigentlich seltsam war, denn wir hatten uns jahrelang nicht gesehen. Augenscheinlich hielt man mich für eine Art ganz gewöhnlicher Fliege. So hat man mich nicht einmal in der Schule behandelt, obgleich mich dort alle haßten. Ich verstand natürlich, daß sie mich jetzt verachten mußten, weil ich keine Karriere machte, weil ich mich gehenließ, wegen der schlechten Kleidung usw. – was in ihren Augen geradezu das Aushängeschild für

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