Aufzeichnungen aus dem Kellerloch: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
mit Olympia auf dem Sofa. Verwünschte Olympia! Sie hat sich einmal über mein Gesicht lustig gemacht und mich verschmäht. Ich werde Olympia an den Haaren packen und Swerkow an den Ohren! Nein, besser an einem Ohr, und so an diesem Ohr werde ich ihn dann durch das ganze Zimmer hinter mir herziehen. Sie werden sich vielleicht alle auf mich stürzen, mich prügeln und hinauswerfen. Bestimmt sogar. Sollen sie nur. Immerhin habe ich ihm die Ohrfeige zuerst gegeben, also ist die Initiative bei mir; und nach dem Ehrenkodex bedeutet das: er ist gebrandmarkt und kann sich mit keiner Prügelei von der Ohrfeige reinwaschen, nur durch ein Duell. Er wird sich duellieren müssen, und mögen sie mich jetzt nur prügeln. Sollen sie nur, diese Undankbaren! Am heftigsten wird Trudoljubow prügeln: er ist so stark; Ferfitschkin wird von der Seite angreifen und unbedingt an den Haaren ziehen, bestimmt sogar. Sollen sie nur, immer zu! Ich nehme es auf mich. Endlich werden diese Schafsköpfe gezwungen sein, das Tragische darin zu begreifen! Und wenn sie mich zur Tür schleppen, so werde ich ihnen zurufen, daß sie im Grunde nicht einmal meinen kleinen Finger wert sind.”
»Fahr zu, fahr zu!« schrie ich meinen Kutscher an.
Er fuhr zusammen und holte mit der Peitsche aus. Ich hatte gar zu wild geschrien.
“Wir schlagen uns beim Morgengrauen, das steht fest. Mit der Kanzlei ist es aus. Wo soll man die Pistolen hernehmen? Unsinn! Ich lasse mir einen Vorschuß geben und werde welche kaufen. Aber das Pulver, aber die Kugeln? Das ist Sache der Sekundanten. Wie soll das alles vor Morgengrauen fertig sein? Woher soll ich einen Sekundanten nehmen? Ich kenne ja keinen Menschen …” »Unsinn!« rief ich, immer erregter. “Unsinn! Der erste beste, den ich auf der Straße treffe und den ich darum angehe, ist verpflichtet, mein Sekundant zu werden, genauso wie er verpflichtet wäre, einen Ertrinkenden aus dem Wasser zu ziehen. Die allerexzentrischsten Fälle können dabei eintreten! Sogar wenn ich morgen den Direktor höchstpersönlich bitten würde, mein Sekundant zu sein, so müßte er sich dazu bereit erklären, schon allein aus Ritterlichkeit, und mein Geheimnis wahren! Anton Antonytsch …”
Es war an dem, daß ich im selben Augenblick deutlicher und klarer als irgend jemand anderer auf der ganzen Welt die widerliche Unsinnigkeit meiner Absichten und auch die Kehrseite der Medaille überschaute, aber …
»Fahr zu, Kutscher, fahr zu, du Gauner, fahr zu!«
»Ach, Herr!« sagte der Bauernmantel.
Kälte durchschauerte mich plötzlich.
»Aber wäre es nicht besser … wäre es nicht besser … sofort, geradewegs nach Hause? Oh, mein Gott! warum, warum drängte ich mich gestern zu diesem Essen! Nein, nein, unmöglich! Und der dreistündige Spaziergang zwischen Tisch und Ofen? Nein, sie, sie müssen für diesen Spaziergang büßen, und niemand anders! Sie müssen diese Schmach tilgen!«
»Fahr zu!«
“Und wenn man mich auf die Polizeiwache bringt! Das werden sie nicht wagen! Sie werden vor einem Skandal zurückschrecken.
Wenn aber Swerkow aus Verachtung das Duell verweigert? Das ist beinahe sicher; aber dann werde ich ihnen beweisen, daß … dann werde ich morgen, wenn er abreisen will, auf den Posthof gehen, ihn am Bein packen, ihm den Mantel herunterreißen, wenn er in die Postkutsche steigen will. Ich werde mich mit Zähnen an seiner Hand festbeißen, ja, ich werde beißen. Alle sollen sehen, wie weit man einen verzweifelten Menschen bringen kann! Mag er mich auf den Kopf schlagen, und mögen alle anderen von hinten auf mich losprügeln. Ich werde dem ganzen Publikum zurufen: ‹Seht diesen jungen Hund, der auszieht, Tscherkessinnen zu verführen, mit meiner Spucke im Gesicht!›
Selbstverständlich ist dann alles aus! Das Departement ist vom Angesicht der Welt verschwunden. Ich werde verhaftet, verurteilt, aus dem Dienst gejagt, ich komme ins Zuchthaus, nach Sibirien, zu den Siedlern. Was kümmert’s mich! Nach fünfzehn Jahren mache ich mich zu ihm auf den Weg, in Lumpen, als Bettler, sobald man mich aus dem Zuchthaus entlassen hat. Ich werde ihn irgendwo in einer Gouvernementsstadt finden. Er ist dann verheiratet und glücklich. Er hat eine erwachsene Tochter … Ich werde sagen: ‹Sieh, du Unmensch, sieh meine eingefallenen Wangen, und sieh meine Lumpen! Ich habe alles verloren: Karriere, Glück, Kunst, Wissenschaft, die Geliebte, und das alles durch dich. Hier sind meine Pistolen! Ich bin gekommen, um meine Pistole
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