Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
nie: «Na, war es für dich auch so schön?»
Gut, einmal hat er schon gefragt, aber da haben wir auch einen außergewöhnlichen Cache mit einer kleinen «Besonderheit» gesucht. Und das kam so:
Relativ bald, nachdem ich mit dem Cachen angefangen hatte, dachte ich mir auch immer mal wieder selbst den einen oder anderen Cache aus. Seien es jetzt welche an besonderen Orten oder mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten oder was auch immer. Die beste Idee von allen, und ich bin geneigt zu sagen, dass sie meine Genialität am deutlichsten zum Ausdruck bringt, war die folgende: Man muss zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort sein. Dort wird dann, Achtung, jetzt kommt es, ein Wecker klingeln. Den gilt es nun zu finden, denn dort ist der nächste Hinweis versteckt – oder auch schon der Cache. Unglaublich, oder? Als ich das erste Mal über diese Idee nachdachte, war ich von mir selbst total begeistert. Ich wusste, das ist einmalig, auf so etwas komme nur ich.
Aber das war nur die Vorgeschichte, quasi das Fundament zu dem Ereignis, dass dann später folgen sollte. Es war im Frühjahr 2005 und Tobi und ich mal wieder wegen einer Reihe von Auftritten quer durch den schönen Osten Deutschlands unterwegs. Wir fuhren gerade in Richtung Berlin und planten die Caches für die nächsten Tage, an denen wir uns in Berlin und Leipzig aufhalten sollten. Tobi saß neben mir im Wagen, den Laptop auf dem Schoß, und suchte im Internet nach schönen Abenteuern in der Umgebung von Leipzig. Wir kamen gerade an der alten Grenzanlage vorbei, der jetzigen Gedenkstätte Marienborn bei Helmstedt, als er auf den Laptop zeigte und sagte: «Sieh mal hier, das wäre doch was. ‹Geisterstunde im Tannenwald›. Da muss man um Mitternacht an einer bestimmten Stelle sein. Dort ist dann ein Wecker versteckt, den man finden muss, indem man dem Klingeln folgt.»
Der Schreck fuhr mir wie ein Blitz durch den ganzen Körper, ich trat mit voller Wucht auf die Bremse, und der Wagen kam binnen Sekunden zum Stehen. Der Fahrer hinter mir konnte gerade noch rechtzeitig anhalten, doch davon bekam ich nichtsmit. Das konnte einfach nicht sein! Meine Wahnsinnsidee! Ein zweiter Wecker? Wer sollte sich das ausgedacht haben? Vielleicht gab es mich nochmal auf dieser Welt. Vielleicht war ich ein Wiedergeborener, und mein erster Körper war dummerweise noch gar nicht gestorben. Das gesamte Karma-Chakra-Nirvana des Universums war offenbar durcheinandergeraten.
Mit der Zeit blieben immer mehr Autos hinter uns stehen, bis nahezu der gesamte Verkehr auf der A2 zum Erliegen kam. Die ersten Menschen stiegen aus und riefen: «Wir kommen hier nicht weiter, die Grenze, die Grenze ist wieder da!»
Auch Tobi wurde aufmerksam, allerdings nicht, weil er den Tumult bemerkte, sondern weil ihm irgendetwas komisch vorkam.
Er stutzte, betrachtete den Computer auf seinem Schoß, schüttelte ihn. Das konnte nicht sein. Er hatte auf einmal eine gute Netzverbindung. Völlig ungewöhnlich während der Fahrt. Wir mussten also … stehen. Er blickte auf und fragte: «Ist was? Sollen wir den Cache jetzt machen?»
Ich beruhigte mich langsam und sagte möglichst unbeteiligt: «Meinetwegen. Ist zwar eine simple Idee, das mit dem Wecker, wirklich nichts Besonderes. Für so was ist mir mein Gehirn eigentlich zu schade, da hat es wirklich anderes zu tun. Aber wenn es dich reizt, können wir den Cache gerne heben.» Als mein Atem wieder einigermaßen normal ging, fuhren wir weiter, und nur vier Stunden später war ich wieder ganz der Alte. Die Idee war schon sehr reizvoll – irgendwie.
Ich trat wie geplant einen Tag in Berlin und den nächsten Abend in Leipzig auf. Direkt nach dem zweiten Auftritt war es endlich so weit. Es war Sonntagnacht, 23.10 Uhr, und wir saßen im Auto auf dem Weg in diesen legendären Tannenwald. Wir verließen Leipzig Richtung Westen und folgten wenig später einer Straße nach Süden. Jetzt nur noch durch ein oder zwei kleineDörfer, dann eine lange Landstraße entlang, immer Richtung Einsamkeit, und wir wären da.
Auf halber Strecke fiel uns auf, dass heute die Uhren auf Sommerzeit umgestellt wurden. Schlagartig bekam der Cache eine Dramaturgie, die selbst der Owner wohl kaum vorhergesehen haben mag. Was, wenn wir zwar schon im Sommer angekommen waren, der Wecker aber noch nicht? Was, wenn wir gleich mitten im Wald standen und lauschten, der Wecker das Signal jedoch schon gegeben hatte? Wir waren total verwirrt, zumal wir mal wieder nicht so genau
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