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Auge des Mondes

Titel: Auge des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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mit Ameni ins Gedächtnis zurückzurufen. »Das Schlimmste weißt du noch nicht einmal« - ja, so etwas Ähnliches hatte er gesagt, bevor er Hals über Kopf davongelaufen war. Aber was nur könnte dieses Schlimmste sein? Ihr fiel nur eines ein.
    »Dann muss das Mädchen schwanger sein«, sagte sie.
    »Deshalb regt ihr euch so auf, hab ich recht?«
    »Sag du es ihr, Tep!«, befahl Tama leise. »Sie wird ohnehin nicht lockerlassen, bis sie es herausbekommen hat.«
    »Sie ist keine andere als die Tochter jenes Mannes, der mich zugrunde richten will.« Rahoteps Worte schienen den sonnigen Raum zu verdunkeln, so schwer senkten sie sich herab. »Meinen Laden hat er bereits. Meine guten alten Beziehungen sind zerschnitten, all meine Hoffnungen verweht. Ginge es nach ihm, säßen wir schon heute als Bettler auf der Straße. Er kennt weder Gerechtigkeit noch Gnade. Er ist ein Schakal, ein Aasfresser, der meinen Untergang bereits wittert.« Rahotep sackte in sich zusammen. »Jetzt weißt du Bescheid, Schwägerin.«
    »Aber weshalb?«, rief Mina. »Warum das alles? Wer ist dieser Mann, und was hast du ihm getan? Du musst ihm doch etwas zugefügt haben, wenn er so grausam ist!«
    »Perser brauchen keine Gründe«, sagte Rahotep dumpf.
    »Sie herrschen. Wir Menschen aus Kemet haben zu dienen. So einfach ist das heutzutage.«
    »Ameni liebt eine junge Perserin?« Natürlich - wie hatte sie nur so begriffsstutzig sein können! Der ungewöhnliche Name, sein seltsames Verhalten und alles, was er gesagt hatte …
    »Er liebt sie nicht.« Rahotep schüttelte müde den Kopf.
    »Das bildet er sich lediglich ein, weil er jung ist und dumm und leicht zu beeindrucken. Sie hat ihn verhext, das ist ganz klar. Vielleicht mit einem Gift, einem Amulett oder einem Zauberspruch …« Er seufzte abgrundtief. »Wer weiß schon, zu welchen Mitteln diese fremden Dämonen in ihrer Verderbtheit greifen.«
    Der Fremde mit den blauen Augen fiel ihr bei Rahoteps Worten ein, und sie spürte, wie ihre Wangen sich röteten. Sein Lächeln hatte er eingesetzt, Blicke und ein kostbares Goldstück, das sie dummerweise ausgerechnet unter einem kleinen Krug versteckt hatte, keine Elle von ihrem aufgebrachten Schwager entfernt. Seit Tagen ging ihr der Mann nicht mehr aus dem Sinn, dafür hatte er gesorgt. Eigensinnig schob sein Bild sich vor ihre Sorgen um Ameni, sogar vor ihre Freude über Bastets Auftauchen.
    Mina schüttelte sich ein wenig, als ließe sich das Bild dadurch leichter vertreiben, obwohl sie schon herausgefunden hatte, dass selbst das nichts bewirkte.
    »Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren«, sagte sie mehr zu sich selber als zu den beiden anderen. »Darauf kommt es an. Nur so werden wir einen Weg finden, um ihm zu helfen, vorausgesetzt, es ist wirklich wahr, was Sedi erzählt hat. Das Mädchen, der Vater - darum können wir uns später kümmern. Jetzt geht es doch erst einmal darum, dass wir Ameni zurückbekommen. Das meint ihr doch auch, oder?«
    Tama und Rahotep nickten in seltener Einträchtigkeit.
    »Ich war deswegen schon im Tempel«, sagte Mina. »Bei Senmut. Um zu erfahren, ob er vielleicht etwas von der ganzen Angelegenheit erfahren hat.«
    »Du hast den Ersten Sehenden eingeschaltet?« Tama brachte den Mund kaum noch zu.
    »So würde ich es nicht nennen. Er war … sehr zurückhaltend. Wie es seine Art ist.« Nicht ein Wort würde sie über seine verbalen Ausfälle gegen die Perser verlieren. Auch ohne ihr Versprechen hieße das, nur weiteres Öl ins Feuer zu gießen. »Aber er hat immerhin in Aussicht gestellt, sich umzuhören.«
    »Wenn Senmut das sagt, dann tut er es auch.« Zum ersten Mal an diesem Morgen entspannten sich Rahoteps zerquälte Züge. »Chai hat von ihm stets voller Hochachtung geredet. Die beiden müssen sich sehr nahegestanden haben.«
    Seltsamerweise hatte Mina plötzlich wieder das süßliche Aroma in der Nase, das ihr so widerstrebt hatte. Senmut steht niemand nahe, dachte sie. Keinem Menschen. Keinem Tier. Vielleicht nicht einmal der Gottheit, der er dient. »Er will einen Boten schicken«, sagte sie. »Ich benachrichtige euch sofort, sobald ich mehr weiß. Versprochen!«
    Rahotep nickte, dann griff er nach dem Krug, genauso wie sie es die ganze Zeit über befürchtet hatte.
    »Ich könnte jetzt einen Schluck Wasser vertragen«, sagte er - und stutzte.
    Im hellen Sonnenlicht schimmerte die Goldmünze auf dem Tisch geradezu aufdringlich, als habe man sie soeben frisch poliert. Er griff nach ihr, wog sie in der

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