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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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war nichts mehr normal. Gestern noch eifrige Angestellte eines erfolgreichen Herstellers medizinischer Geräte, war ich jetzt selbst auf komplizierte Medizintechnik angewiesen. Gestern noch trug ich stolz zum Einkommen meiner Familie bei, und heute war ich vollständig vom Geld anderer Menschen abhängig. Gestern war ich lebensfroh, selbstständig, zielbewusst – heute bei fast jedem Handgriff auf fremde Hilfe angewiesen und nur noch darum bemüht, nicht gänzlich zu verbittern. Diese Situation war nur schwer erträglich. Und sie wurde auch nicht dadurch besser, dass meine Schwester Schirin mich nach Spanien begleitete.
    Ein anderes Mitglied meiner Familie wäre mir lieber gewesen. Doch im Grunde kam aus dem Kreis der nächsten Verwandten nur sie infrage: Meine Mutter musste sich um Vater kümmern, meine kleine Schwester Schadi war zu jung, und Mohammad oder Farhad als männliche Begleiter fielen aus. In unserer Gesellschaft wäre es nicht möglich gewesen, dass mir meine Brüder bei alltäglichen Dingen wie Körperhygiene oder Verbandswechsel hätten zur Hand gehen können. Mir blieb also nur, alle Bedenken auszublenden und mich mit ganzer Kraft an den Strohhalm Barcelona zu klammern.
    Die Ärzte des IMO – des Instituto de Microcirugía Ocular – waren meine einzige Hoffnung. Sie sollten mein Augenlicht retten, das war die wichtigste Mission. Trotz aller Fehler, die meinen Ärzten im Iran unterlaufen sein mochten – für ihre Entscheidung, mich nach Barcelona zu schicken, musste ich ihnen dankbar sein. Kurz vor meiner Abreise erklärten sie mir, dass ich nicht als Einzige für diese Reise in Betracht gekommen war. Außer mir waren – wenn auch nicht durch Säureattentate bedingt – zwei weitere Patientinnen in der engeren Wahl.
    »Ameneh, wir haben dich unter anderem auch deshalb ausgewählt, weil wir von deiner psychischen Stärke beeindruckt waren«, hatten sie mir anvertraut. Sonderlich stark fühlte ich mich zu jener Zeit allerdings nicht. Um meine Gesundheit aber wollte ich aus Leibeskräften kämpfen.
    »Warum nehmen Sie Ihren Gesichtsschleier nicht ab? Ist Ihnen nicht viel zu heiß hier?«, fragte mich meine Sitznachbarin im Flugzeug. Nach einer Weile wagte sie dann einen weiteren Vorstoß: »Müssen Sie denn auch hier oben in der Luft verhüllt bleiben?«
    »Jemand, den ich nicht mochte, wollte unbedingt, dass ich seine Frau werde«, sagte ich nur. »Und dann hat er mein Gesicht zerstört.«
    »Gott stehe Ihnen bei! Unfassbar, zu was manche Menschen fähig sind! Nehmen Sie doch um Gottes willen Ihren Schleier ab, Kind. Wer Sie nicht ansehen mag, kann woanders hinschauen. Sie müssen doch umkommen vor Hitze.«
    Ging es hier um die selbstverständlichste Sache der Welt? Den Nikab abnehmen? Als ob das so einfach wäre! In Teheran trug ich ihn, zumindest wenn ich aus dem Haus ging, um Passanten meinen Anblick zu ersparen. Diskret wollte ich bleiben, unauffällig – möglichst niemandem Mühe machen und kein Unbehagen bereiten. War das ein Zeichen der Selbstverleugnung oder eine Frage von Höflichkeit und Respekt? Den Schleier abnehmen hieß, dass ich öffentlich zeigen müsste, wie verwundbar ich war. Ich müsste offenbaren, dass es jemandem gelungen war, mich zu überwältigen und zu verletzen. So leicht dieses Stück Stoff auch schien, so schwer fiel es mir, mich davon zu trennen.
    Ohne dieses Tuch frei zu atmen hätte mir allerdings gutgetan, und so nahm ich all meinen Mut zusammen und zog den Nikab von meinem Kopf. Welche Ironie des Schicksals mir plötzlich vor Augen geführt wurde. Im Iran verhüllten wir Frauen uns, um die Blicke der Männer nicht auf uns zu lenken. Hier war ich nun, unverhüllt, auf dem Weg nach Europa, und kein Mann sollte mich mehr eines Blickes würdigen.
    »Gott hat Ihnen wahrlich viel Kraft gegeben, Ihr Schicksal zu ertragen«, sprach mich ein mitreisender Journalist an und wünschte mir alles erdenklich Gute. Und das hätte ich schon in Paris gut brauchen können.
Wir hatten bereits mehrere Stunden auf unseren Anschlussflug im Transitbereich gewartet, als es plötzlich hieß, ich könne nicht weiterfliegen. Nicht weiterfliegen? Großer Gott, was hatte das nun zu bedeuten? Welchen Grund sollte es denn geben, uns aufzuhalten? Ich musste doch nach Spanien, um mein Augenlicht zurückzugewinnen! Ich hatte noch kein einziges Etappenziel erreicht, trug noch jede Spur des Säureattentats mit mir herum und würde auf gar keinen Fall in den Iran zurückkehren! Nur damit dieser

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