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Auge um Auge (German Edition)

Auge um Auge (German Edition)

Titel: Auge um Auge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han , Siobhan Vivian
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versucht, das spanische Wort für »entschuldigen« zu konjugieren, geht der Feueralarm los.

20 KAT  Sobald der Feueralarm losgeht, lasse ich mein Feuerzeug zuschnappen. Das wurde auch höchste Zeit – das Benzin ist fast alle. Außerdem ist die Metallhülle inzwischen glühend heiß. Ich puste darauf, hüpfe vom Radiator in der Mädchentoilette und kauere mich vor die Tür, um durch die schmalen Lüftungsschlitze im unteren Teil zu schauen. Das Licht im Flur wird in feine Scheiben geschnitten, als ein Paar Beine nach dem anderen vorüberhetzt auf dem Weg zum nächsten Ausgang. Ich höre, wie ein Lehrer sagt: »Für heute stand doch kein Probealarm auf dem Plan, oder?«, und ein anderer antwortet: »Es könnte tatsächlich mal Ernst sein.« Sie drängen ihre Schüler zur Eile in einem Tonfall, der deutlich macht, dass es sich nicht um den üblichen Probealarm handelt.
    Genau, beeilt euch verdammt noch mal. Ich hab zu tun.
    Ich nehme meinen Rucksack ab, stecke beide Arme durch die Schultergurte, hänge mir das Ding vor den Bauch und öffne den Reißverschluss. Im Rucksack sind die Fotokopien, die ich letzte Woche gemacht habe, außerdem eine Rolle Malerkrepp, die ich aus dem Kunstraum geklaut habe. Ich nehme sie raus und reiße schon mal kleinere Stücke ab, die ich mir auf den Arm klebe, damit es gleich schneller geht.
    Jar Island hat nur eine Freiwillige Feuerwehr, und die braucht bestimmt zehn Minuten, bis sie hier ist. Bis die Schule geräumt ist, dauert es eine, vielleicht anderthalb Minuten. Sobald draußen die Luft rein ist, stoße ich die Tür auf und renne los.
    Den meisten Schaden werden die Kopien im Trakt der Seniors anrichten, also beginne ich dort. In kurzen Abständen klebe ich Kopien an Klassentüren, Spinde, an den Trinkwasserbrunnen.
    Eigentlich ist diese Aktion ja Lillias Rache, aber ich muss zugeben, das hier fühlt sich verflucht gut an. Alex hat mehrfach versucht, mich anzurufen, aber ich bin natürlich nicht drangegangen und hab auch nicht zurückgerufen. Er hat es nicht verdient, dass ich je wieder mit ihm rede.
    So ist das nun mal bei mir – wer mich kränkt, der ist für mich gestorben.
    Abgesehen von Lillia. Für die mache ich vorläufig eine Ausnahme.
    Am Ende vom Flur trete ich die Tür zum Treppenhaus auf, nehme immer zwei Stufen auf einmal und klebe im Vorbeigehen Kopien an die Wand. Der Alarm ist so laut, dass mir fast die Ohren abfallen. Die Notbeleuchtung blinkt grell. Ich weiß noch, wie ein Freund meines Bruders, Luke, in meinem Freshman-Jahr einmal Feueralarm ausgelöst hat. Er wurde für eine Woche von der Schule ausgeschlossen und musste eine ziemlich hohe Geldbuße dafür zahlen, dass die Freiwillige Feuerwehr vergebens ausrücken musste. Beim Gedanken daran laufe ich noch schneller.
    Auf dem Treppenabsatz ducke ich mich, damit man mich nicht durchs Fenster sehen kann, dann sprinte ich weiter hoch ins obere Stockwerk, wo der Freshman-Jahrgang seine Spinde hat. Mein Adrenalinspiegel ist jetzt so hoch, dass es mir vorkommt, als könnte ich ewig weiterrennen.
    Ich stelle mir vor, wie Nadia zurück ins Gebäude kommt, Alex’ Miene sieht und sein blödes Gedicht liest – wie peinlich ihr das sein wird! Ich bezweifle, dass sie je wieder mit ihm im Auto spazieren fahren will. Dass Alex von einer im ersten Jahrgang fallen gelassen wird und gleich die ganze Schule über seine kitschigen Ergüsse lacht – das ist einfach obercool.
    Ich schaffe noch ein Stück Flur, aber dieses Mal brauche ich einfach viel länger, weil ich jedes Mal erst einen Klebstreifen abreißen muss.
    Dann höre ich die Sirene.
    Viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Das ist blöd, weil noch mehr als die halbe Schule fehlt. Also lasse ich das mit dem Ankleben und verstreue die Blätter wie Konfetti, das geht viel schneller. Auf die Weise schaffe ich noch den naturwissenschaftlichen Flügel und den Flur mit den Englischräumen. Während ich das Geländer im hinteren Treppenhaus hinunterrutsche, werfe ich Blätter über die Schulter.
    Als ich gerade wieder im Erdgeschoss bin, stürmt eine Gruppe behelmter Feuerwehrleute das Gebäude. Ihre Taschenlampen leuchten grell, und aus ihren Walkie-Talkies knackt es laut.
    Zum Glück bin ich direkt vor der Aula. Ich verschwinde unauffällig darin und verstecke mich in den Falten der großen amerikanischen Fahne. Nur einen Moment später kommen zwei Feuerwehrmänner im Laufschritt herein. Ich halte die Luft an, während die beiden mit ihren Taschenlampen die Wände, die Decke,

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