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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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unbedingt mit Merghentin und der Abteilung Wirtschaftskriminalität in Verbindung setzen. Hier war sie einem ganz großen Betrug auf der Spur. Und vielleicht führte die Agentur Time is Money auch zum Mörder Frank Stuchliks. Dr. Bornschein traute sie alles zu.
    Larissa schloss hinter ihr leise die Tür. Beetz nahm die Treppen.
    »Pack mer’s, meine Herren!«
    Sie hörte bereits die Handschellen klicken.

30
    Miersch hatte ein Taxi genommen. Der Fahrer war hocherfreut, eine Tour zu erhalten, die lohnte. Miersch erinnerte sich an seine erste Fahrt nach Machern und an den langen Umweg. Wöllmen. Gostemitz. Groitzsch. Jetzt am frühen Abend war wenig Verkehr auf den Straßen. Sie schafften die Strecke in der Hälfte der Zeit, die Miersch vor Tagen gebraucht hatte. Der Taxifahrer bedankte sich für das Trinkgeld. Miersch hatte zum falschen Schein gegriffen, verlangte ihn aber nicht wieder zurück.
    Die Tür zum Wirtshaus Zu den alten Eichen war nicht verschlossen. Der Gastraum aber war leer. Miersch nahm unter dem Fußballerwimpel Platz, nachdem er ihn am Nagel gerade gerückt hatte. Er hörte aus der Küche Geräusche und leise Worte, die er nicht verstehen konnte. Wie ein Vorwurf hing die alte Zeitung mit seinem Bild auf der Titelseite noch am Ständer: Mörder, Monster, Menschenschlächter. Miersch erhob sich und drehte Schlagzeilen und Foto zur Wand. Keine Bedienung fragte nach seinen Wünschen.
    Ein Blick in die Küche zeigte Anne beim Kochen. Sie stand in Wasserdämpfen, die Ärmel hochgekrempelt, die Haare unter eine weiße Mütze gezwängt. Miersch klopfte. Die Wirtin überhörte es, ob absichtlich, konnte er nicht entscheiden. Miersch klopfte lauter. Auch darauf zeigte Anne keine Reaktion.
    »Hajo ist kein Mörder«, sagte Miersch leise.
    Anne erstarrte. Mit blicklosen Augen schaute sie durch ihn hindurch. Minute um Minute. Ohne Bewegung. Augen starr, ohne ein Zwinkern. Auf der Platte brutzelte Fleisch und verqualmte. Miersch ging an Anne vorbei und nahm den Tiegel vom Herd. Es war ein Schnitzel und vielleicht noch zu genießen. Anne war ihm mit den Blicken gefolgt, zeigte jedoch keine Regung.
    »Ich habe schon immer gewusst, dass Hajo kein Mörder ist.« Ihre Stimme war tonlos, klang künstlich. Wie eine Puppe, dachte Miersch, wie eine aufgezogene Puppe.
    Es war weder Genugtuung noch Überraschung in ihrer Stimme. Wie ein Automat hob sie einen Deckel vom Topf und rührte in einer Suppe. Es roch nach Gemüsesud und Basilikum.
    »Sie haben gesagt, in der Akte stand’s anders. Da war mein Vater der Mörder.« Er musste den Kopf neigen, um sie noch zu verstehen.
    Anne rührte, als würde sie Schaum schlagen wollen. Dann schob sie den Topf von einer Platte zur anderen und verfiel in Geschäftigkeit. Sie hob da einen Deckel, roch dort, holte aus Schränken Gewürze und Messer.
    »Die Akte lügt, und die Menschen haben auch gelogen.« Auch Miersch sprach leise. »Ihr Vater hat die Mädchen nicht getötet, Anne. Ihr Vater ist nicht der Augensammler gewesen.«
    Miersch legte sich das verbrannte Schnitzel auf einen Teller. Er guckte in Töpfe, griff nach einer Kelle und füllte seinen Teller mit Kartoffeln und Mischgemüse. Anne erhob keinen Einspruch. Für die Soße nahm er ihr das Messer aus der Hand und träufelte sich damit Butter über die Kartoffeln. Sie stand vor dem Herd und bewegte sich nicht.
    Miersch überlegte, ob er alle Schalter an den Apparaten ausdrehen sollte. Anne schien ihm zu keiner Reaktion mehr fähig. Das Essen würde verkochen, verbrennen und ungenießbar werden, wenn sie nur noch daneben stand. Er drängte an ihr vorbei und nahm seinen Teller.
    Anne hielt ihn am Arm fest, und ihr Gesicht kam seinem gefährlich nah. »Wer war es dann?«
    Sie stellte keine Frage, es klang wie ein Befehl.
    »Wer war es dann?«
    Miersch konnte ihr die Wahrheit nicht sagen. Jedenfalls nicht in diesem Augenblick. Er hielt den Teller in der Hand, Butter lief über den Rand und tropfte auf sein Jackett. Er nahm davon keine Notiz. Hajo war kein Mörder. Er hatte Anne mit seinem Satz froh machen wollen. Ihr Vater war unschuldig. Er hatte die Beweise und die Aussage von Hartmut Queißer. Rosel und sie hatten recht. Aber Miersch hatte Annes Reaktion nicht vorhergesehen. Jetzt stand er in ihrer Küche und wurde von ihr gezwungen, die Wahrheit zu sagen.
    »Wer es war, wissen wir nicht«, sagte er und konnte ihren Atem auf seinem Gesicht spüren. Er roch ihr Parfüm, das Bratendunst und Basilikum überdeckte. Er roch ihren

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