Augen für den Fuchs
Kommissar. Hinter den heruntergezogenen Rollos dämmerte es bereits, oder ein Gewitter zog auf. Kohlund nippte in kurzen Abständen. Anders als das Glas war der Kognak teuer und süffig.
»Es wäre schön, wenn Sie mir bis Donnerstag Bescheid geben könnten, lieber Herr Kohlund. Ich habe Sie vorgeschlagen. Sie sind meine Wahl. Es gibt keinen Zweifel, dass Sie alle Voraussetzungen mitbringen, die der Job erfordert. Vielleicht sogar bessere Voraussetzungen als alle.«
Das konnte Kohlund als Kritik Hackenbergers an der Amtsführung Mierschs interpretieren, vermutete aber, dass ihm das Lob nur die Postenübernahme schmackhafter machen sollte. Ich habe Sie vorgeschlagen. Sie sind meine Wahl. Peitsche und Zuckerbrot, auch daran änderte sich nichts.
Kohlund trank aus, Hackenberger drehte sein Glas zwischen den Fingern. Offensichtlich war auch er nicht daran interessiert, das Gespräch weiterzuführen. Kohlund stellte sein Glas mit lautem Knall auf den Tisch. Ohnehin war es kein Gespräch gewesen, sondern eine Überrumpelung. Und je länger er sich mit dem Angebot beschäftigte, desto sicherer schien es ihm, dass er als Schachfigur in einem Spiel eingesetzt werden sollte. Nur kannte er weder Strategie noch die Interessen der Spieler.
Er reichte Hackenberger die Hand. »Ich danke für Ihr Vertrauen und werde darüber nachdenken.«
»Nicht allzu lange, lieber Kohlund. Und wir Leipziger sollten nicht alle Leitungsfunktionen von Bürgermeister bis Intendanten Zugezogenen überlassen. Es sieht gerade so aus, als würden wir gar nichts können.«
Damit war Kohlund entlassen. Im Vorraum lächelte ihm Annegret Pohlenz mit ihrem feisten Gesicht zu. Vor Jahren war sie ihm auf einem Betriebsfest zu nahe gekommen, vielleicht hatte sie diese Intrige gesponnen. Verdammt, Kohlund wusste nicht, wie er mit diesem Angebot umgehen sollte.
Er durchstreifte die Gänge, holte sich am Automaten einen Kaffee, der im Bauch schmerzte, und hoffte, dass Manuela Hohmann bereits gegangen war, als er sein Büro wieder betrat. Aber seine Sekretärin lächelte unaufdringlich und begriff augenblicklich, dass sie ihm keine Frage zu stellen brauchte. Sie zeigte still auf ihre Uhr und das Dienstzimmer. Die Mord zwo war vollständig versammelt, um die neuesten Erkenntnisse im Fall Frank Stuchlik zu diskutieren. Dafür hatte er jetzt überhaupt keinen Nerv. Leise öffnete er die Tür und warf einen Blick in sein Büro.
Schmitt hatte hinter Kohlunds Schreibtisch Platz genommen. Mit einem Stift zeichnete er aufs Clipchart Kreise und Pfeile. Die dazugeschriebenen Namen waren unleserlich. Die Beetz berichtete, Schmitt kommentierte. Alle anderen machten sich Notizen und schwiegen. Die Kollegen waren so konzentriert, dass Kohlund die Tür wieder schloss, ohne dass sie es bemerkten. Das Wichtigste würde er morgen erfahren.
»Ich habe gesagt, dass Sie zum Präsidenten bestellt wurden.«
»Danke, Frau Hohmann, Sie sind die Beste.«
Als Kohlund sein Büro verließ, blickte Manuela Hohmann ihm nach, als wäre sie beim Gespräch mit Hackenberger dabei gewesen. Kohlund würde noch einen Kognak im Café trinken müssen, bevor er sich nach Hause getraute.
19
»Sie werfen mich auf die Straße?«
»Nein. Ich vermiete Ihnen kein Zimmer!« Alle Argumente, die Konstantin Miersch vortrug, zählten für Anne Popp nicht. Sie ließ ihn stehen, verschwand durch die Tür zum Gastraum. Er setzte sich im kleinen Foyer in einen der Sessel, die um einen Couchtisch standen. Er suchte ein Bett für die Nacht. Jetzt war er ratlos.
Kurz entschlossen hatte Miersch seine Sachen gepackt. Er hatte es daheim nicht länger ausgehalten. Margo zerstörte seine Ruhe und Konzentration. Gegen nachmittags um drei war sie mit großer Damenrunde zu Hause erschienen, und die Anwesenden hatten zusammengesessen und über unverständliches Theater, unverständliche Bücher und reizende junge Künstler debattiert. Gesprächsfetzen drangen in sein Zimmer, alle Minuten rauschte die Toilette. Er hörte schrilles Lachen und echte Empörung. Nein, unvorstellbar! Ich würde mit ihm persönlich reden. So kannst du mit dir nicht umspringen lassen! Aktenstudium und ein erholsames Lesen waren ihm unmöglich.
Miersch hatte die notwendigen Sachen in seinen kleinen Dienstreisekoffer geworfen. Aus der Aktentasche entfernte er alles, was ihn an Präsidium und Arbeit erinnern konnte. Nur die Akte Hajo Popp steckte er ein, Notizbuch, Federmappe und Die Geschichte der Deutschen Volkspolizei zur abendlichen
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