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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Wäsche zu holen. Während der ganzen Fahrt durch die fahnengeschmückte, sonntägliche Stadt, weinte Steinberg leise vor sich hin.
    Die Haustür der Wertheim-Villa stand offen, und Menschen aus der Nachbarschaft plünderten das Haus, feine Herrschaften und honorige Nachbarn, die mit dem Anbruch der neuen Zeit wie die Lemuren aus ihren Löchern gekrochen kamen. Franziska war schon am frühen Morgen mit Melzer und ihrer Mutter nach Donnerskirchen aufgebrochen. Herzog hatte ihr am Telefon versprochen, Steinberg in aller Herrgottsfrüh auszufliegen und als Landeplatz die Wiese am Seewinkel auf der ungarischen Seite des Neusiedler Sees vorgeschlagen, zwischen Fertöd und dem Schloß Esterházy, wo sie im » schönen Sommer zweiundzwanzig« gezeltet hatten. Sie solle dort aus Stroh und Laub ein kleines Feuer machen, mit viel Rauch und so. Dort werde er bei Sonnenaufgang landen.
    » Sonnenaufgang ist sechs Uhr zwölf. Sie müssen mit starkem Bodennebel rechnen…« Es war die Stimme des Platzwartes, der mit dem neuesten Wetterbericht vom Kontrollturm zurückkam. » …vor allem über den morastigen Ufern des südlichen Seewinkels.«
    Steinberg duckt sich in seinen Sitz. Eine Jagdstaffel der Wehrmacht flog in geringer Höhe über den Flugplatz hinweg, um auf den dreißig Kilometer entfernten Wiener Verkehrsflughäfen Schwechat und Aspern zu landen, die von der Wehrmacht in der Nacht in Besitz genommen worden waren. Flakscheinwerfer über Wien, die wie Finger einer Riesenhand den nächtlichen Himmel abtasteten, wiesen ihnen den Weg.
    Dann hörte er wieder die Stimme des Platzwarts. » Glaubst du, daß Göring uns hier in Vöslau noch eine Weile in Ruhe läßt?«
    » Kaum. Eines seiner Geschwader dürfte auch hier in Kürze landen und den Laden übernehmen.«
    » Und wenn die Deutschen gelandet sind? Was wird aus mir?«
    » Dann werde ich bei Göring ein gutes Wort für dich einlegen, Balbo. Hier, mein Bordbuch.«
    Das Tor zu dem Wellblechhangar stand offen. Im Schein einer Standlampe pumpte Herzog Sprit in die Glaszylinder der Zapfsäule.
    » Was soll ich eintragen?«
    » Schreib, kleine Spritztour hinauf in die Gutensteiner Alpen mit anschließendem Rundflug über den Neusiedler See.«
    » Solo?«
    Steinberg erstarrte wie ein Hase, der Gefahr gewittert hat und sich in etwas Unbelebtes verwandelte. Herzog stieg mit dem Schlauch auf die obere Tragfläche und schob den Einfüllstutzen in die Tanköffnung. » Nein, nein! Ein alter Freund fliegt mit. Hat noch nie einen Sonnenaufgang über den Alpen vom Flugzeug aus erlebt.« Herzog hatte den Platzwart überredet, noch vor Tagesanbruch den Sportflugplatz für ihn zu öffnen, ohne überflüssige Fragen zu stellen. Denn nicht Steinberg, auch er selber schwebte in Gefahr, sollte die Gestapo die Flucht entdecken. » Er sitzt im Cockpit. Willst du ihm noch Hals- und Beinbruch wünschen, Balbo?«
    » Ich will davon nichts wissen.«
    Solange der Treibstoff aus dem Glaszylinder in den Tank gluckerte, pumpte Herzog den zweiten Zylinder voll und so hin und her, bis die Maschine genügend Sprit getankt hatte.
    » Dann setz mal deinen Kaiser Wilhelm drunter.« Herzog unterschrieb, und der Platzwart gab ihm das Bordbuch mit den Abmeldeformularen zurück. » Ich an deiner Stelle würde mit dem Start noch warten. Der Föhnsturm scheint stärker geworden zu sein.«
    » Lieber nicht! Ich will mit meiner Flamingo den Kameraden von der Luftwaffe nicht im Wege stehen, wenn die hier landen wollen.«
    Steinbergs Herz schlug wie eine Pauke. Herzogs Gesicht tauchte über ihm auf. Er grinste wie ein Honigkuchenpferd.
    » Und außerdem, ein bißchen Geschaukel macht den Flug doch erst so richtig amüsant.«
    Geschaukel– auf was für ein » Geschaukel« hatte er sich da eingelassen? Er ließ sich anschnallen und wartete gottergeben, von Flugangst gepackt zu werden. Herzog schob die Papiere in die Fliegerjacke, kletterte von der Tragfläche ins hintere Cockpit und zog seine Sitzgurte fest. Balbo legte den Propeller auf den Druckpunkt.
    » Dann also, einschalten, Kurbel!« Herzog bediente den Kurbelanlasser an der rechten Bordwand und zog die Brille über die Augen. Balbo riß die Bremsklötze weg. » Und komm auf keinen Fall allein zurück!«
    Der Doppeldecker rollte auf die Grasbahn. Dichte Nebel- und Dunstschleier fegten wie Rauchfetzen über die Wiese. Dann flammten die Lichter der Startbahn auf. Steinberg sah noch, wie der prall gefüllte Windsack am Mast zerrte. Herzog schob den Gashebel nach vorn.

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