Augenblick der Ewigkeit - Roman
Papst Johannes Paul II. ihm den » Ordine dello Speron d’Oro«, den Orden vom goldenen Sporn, verliehen habe, der ihn in den Stand eines » lateranischen Hofpfalzgrafen« und Ritters hob, mit dem Privileg, hoch zu Roß in die Kirche reiten zu dürfen. Aber das war nicht der Grund, warum er im Überschwang der Freude über den zweithöchsten Orden des Vatikans fast in ein hysterisches Lachen ausgebrochen war, und auch nicht, daß Orlando di Lasso ihn zu seinen Lebzeiten bekommen hatte, oder Christoph Willibald Gluck, Donizetti, Paganini oder Liszt. Was ihn so glücklich machte, war, nunmehr jenem exzellenten Orden anzugehören, mit dem Papst Clemens seinerzeit den dreizehnjährigen Wolfgang Amadeus Mozart ausgezeichnet hatte. Er und Mozart in der gleichen Ritterschaft, er platzte schier vor Stolz.
Insgeheim litt er darunter, nie einen normalen Schulabschluß geschafft zu haben. Stets hatte er vorher hingeschmissen oder aufgegeben und empfand dies so sehr als einen persönlichen Makel, daß er Auszeichnungen, Orden und Doktorhüte geradezu sammelte. Manche Kollegen spotteten schon über seine Sammelwut. Dankbar griff er sogleich zum Telefon, um dem Bischof für die ehrenvolle Auszeichnung zu seinem Achtzigsten zu danken.
» …die ich natürlich mit allergrößter Freude annehme! Und bitte sagen Sie Seiner Heiligkeit: Zum Dank werde ich im Petersdom die Krönungsmesse dirigieren…«
Prag, Karlsbad – April 1939
Und richten Sie dem Reichsminister zugleich meinen herzlichsten Dank für die hohe Auszeichnung aus, die ich natürlich mit der allergrößter Freunde entgegennehme…« Er war von der Nachricht, Göring habe ihn in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident zum Staatskapellmeister ernannt, so überrascht worden, daß er anfangs argwöhnte, sein Agent hätte sich am Telefon einen Scherz mit ihm erlaubt. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Denn zugleich mit der Ernennung zum Staatskapellmeister hatte er nunmehr mit der Preußischen Staatskapelle auch ein eigenes Orchester bekommen. Im Überschwang der Gefühle hätte er vor Freude laut herausjubeln können, aber er beherrschte sich, um Gudrun nicht zu wecken.
» …hören Sie, Krausnik, und sagen Sie dem Reichsminister, daß ich für das Führerkonzert selbstverständlich zur Verfügung stehe.« Für die Einstudierung der Neunten von Beethoven blieben ihm nur zwei Wochen Zeit. Immerhin handelte es sich um das Galakonzert zu Hitlers fünfzigstem Geburtstag, der mit großem Brimborium begangen werden sollte. » Wenn ich den Nachtzug nehme, könnte ich morgen vormittag im Reichsluftfahrtministerium sein, um die Einzelheiten mit dem Herrn Ministerpräsidenten persönlich zu besprechen.«
Er ballte die Hand und stieß sie mit einem unterdrückten Schrei in die Luft. » Ja!« Das sollte doch zu schaffen sein! Er ging hinaus auf die Dachterrasse, um seiner inneren Erregung Herr zu werden.
Die Protektoratsregierung hatte ihm eine Jugendstilwohnung am Smetanakai, hoch über der Moldau, zur Verfügung gestellt. Triumphierend blickte er über den Fluß und die Karlsbrücke zum Hradschin hinüber, über dem die Hakenkreuzfahne wehte. Vor zwei Wochen war Hitlers Wehrmacht in der Resttschechoslowakei einmarschiert und hatte in Prag auf » Einladung« des tschechischen Staatspräsidenten Hácha das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren errichtet. Andernfalls, so hatte man dem Präsidenten gedroht, würde die Luftwaffe die alte Kaiserstadt an der Moldau in Schutt und Asche legen.
Als ihn der ehemalige Reichsaußenminister von Neurath persönlich bat, den Festakt zu seiner Inauguration als Reichsprotektor mit der völkischen Kantate » Feier der neuen Front« von Richard Trunk auf dem Hradschin zu übernehmen, hatte er nicht lange überlegt und zugesagt. Nicht daß er die programmatische Huldigungsmusik zum Ruhm des Führers originell gefunden hätte oder die der Tondichtung zugrunde liegenden Gedichte des Reichsjugendführers besonders schätzte. Ausschlaggebend für seine Zusage war die klammheimliche Freude, es den Pragern heimzuzahlen.
Dort drüben, irgendwo im Häusergewirr der Kleinseite, unterhalb der Burg, hatte er als hungernder und frierender kleiner Musikstudent in einer heruntergekommenen Mansarde gehaust, ohne Perspektive, dafür aber mit dem um so festeren Glauben, eines Tages ganz oben anzukommen. Und jetzt, nach nicht einmal vierzehn Jahren, hatte er es mit einunddreißig zum jüngsten Staatskapellmeister des Reiches gebracht. Er ballte
Weitere Kostenlose Bücher