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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hilflos sein zu müssen. Der Chefconcierge breitete beide Arme aus und zuckte resigniert mit den Schultern.
    » Wie Sie wünschen, gnädige Frau, aber Maestro Herzog wird sicher ungehalten darüber sein.«
    » Sie brauchen keine Angst zu haben, Zanetti, ich stehe unter höherer Kuratel.«
    Sie deutet hinauf zur Hallendecke, an der die flackernden Kronleuchter klimperten und klirrten, geschüttelt von der Wucht der Explosionen draußen auf dem Platz.
    » Es gibt einen Schutzengel da oben, der stärker ist als aller Stahlbeton in Ihrem Peterkeller. Richten Sie meinem Mann aus, daß ich im Schreibzimmer auf ihn warte.«
    Sie pfiff durch ihre Zahnlücke » Davon geht die Welt nicht unter«, schlenderte über die himbeerroten Teppichläufer in den leeren Speisesaal. Wie an jedem Abend hatte hier der Küchenchef ein frugales Buffet aufgebaut, das gegen den Putz, der von der Decke fiel, mit Servietten abgedeckt war. Manche der Tische waren von den Gästen fluchtartig verlassen worden, andere noch unberührt, gedeckt mit silbernem Besteck, zarten Gläsern und blitzenden Kühlkübeln, die schepperten und klirrten und auf den Tischen tanzten, wenn die Einschläge näher kamen. Durch schallschluckende Teppiche, wallende Draperien und seidene Tapeten an den Wänden klangen die Detonationen hier drinnen verhaltener, der Vornehmheit und Dezenz eines Weltstadthotels angemessen.
    Hungrig biß sie in eine Scheibe Brot, genehmigte sich ein Glas Leitungswasser und begab sich damit in das Schreibzimmer. Im flackernden Licht grüner Leselampen, die, mit Notstrom versorgt, den Raum notdürftig illuminierten, setzte sie sich an ein Mahagonipult, um einen Brief zu schreiben
    » Joachim, mein kleiner Liebling, nur ein paar Wochen noch– dann kommt Mama, Dich zu holen. Dann werden wir für immer beieinanderbleiben…«
    In großzügig gleitenden Schriftzügen schrieb sie an ihren Sohn, den sie in Sicherheit bei ihren Eltern wußte. Unter den vielen Rollen, in die sie auf der Opernbühne oder in ihren Operettenfilmen schlüpfte, erwies sich die der Mutter als eine der wenigen, mit der sie eindeutig fehlbesetzt war. Seit sie das Engagement an der Wiener Staatsoper angenommen hatte, pendelte sie zwischen Babelsberg und Wien, zwischen Opernarien von Richard Strauss und Couplets mit Johannes Heesters hin und her, lebte aus dem Koffer, während Joachim sich am Schliersee von einem einnehmend schüchternen Kleinkind zu einem rotbackigen, bayerisch sprechenden Buben entwickelte.
    » Dann nimmt Dich Mami mit nach Wien, wo sie für ihren kleinen Liebling schon ein Haus gemietet hat. Und wenn uns der Papa bei einem Gastspiel besuchen kommt, wird es sein wie früher, und unsere kleine Familie ist wieder vereint.«
    Sie litt unter den häufigen Trennungen, die ihrer beider Berufe mit sich brachten. Seit Karl die Staatskapelle übernommen hatte und sie an die Wiener Staatsoper engagiert worden war, konnten sie sich nur noch sporadisch sehen, und während dieser Zeit wuchs ihr Hunger nach seiner Nähe im gleichen Maß wie ihre Angst, einander fremd zu werden. Aber noch war sie nicht bereit, ihre Karriere aufs Spiel zu setzen und zurück an seine Seite nach Berlin zu kommen.
    »› Gib Opa und Oma einen dicken Kuß von mir und sei schön artig, hörst Du.«
    Als sie das Kuvert versiegelte, spürte sie seinen Blick, schaute auf und erschrak. Karl stand mit rußigem Gesicht, staubbedeckten Haaren und in einem zerrissenen Mantel in der Tür zum Schreibsaal und rang nach Luft.
    » Bist du verletzt?«
    Er schüttelte den Kopf. Sie sprang auf, umarmte ihn und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. » Was ist passiert? Ich hatte solche Angst um dich!«
    » Daß ich dem Terror da draußen heil entkommen bin, grenzt an ein Wunder.«
    Es war tatsächlich ein Wunder, wie er gerettet worden war. Durch das Loch in der geborstenen Tunneldecke hatte er den Schein von Taschenlampen huschen sehen und Stimmen gehört, die nach Verschütteten suchten. Als er um Hilfe schrie, sah er, wie einige der Schutzsuchenden sich an der Messingtür des Excelsior-Tunnels übergeben mußten. Andere sanken wie aus Übermüdung in sich zusammen oder wurden ohnmächtig. Im selben Augenblick begann auch sein Herz zu rasen, und er fing an zu schwitzen. Mit dem Luftzug durch das Loch in der Decke war Kohlenmonoxid in den Excelsior-Tunnel eingedrungen. Sein Puls jagte, und zugleich fing er an zu frieren. Ihm wurde schwarz vor Augen, und er stand an einem dunklen Gewässer, in dem sich der flammende

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