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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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mit einem »D a bin ich«‹ hereinschneien konnte. Das Treffen mit ihr mußte sich ebenso zwangsläufig wie zufällig ergeben, wobei er dem Zufall bereits ein wenig nachgeholfen hatte, indem er Krausnik bat, für ihn ein gutes Wort bei Gottwalt einzulegen.
    Er hatte zum ersten Mal seit vielen Jahren Zeit und konnte warten. Die Pressekonferenz war zum Fiasko geworden, und die Tournee mußte abgesagt werden. Da wußten sie noch nicht, daß Mr. Walker, der mächtige Medienmogul, der eigentliche Drahtzieher der Aktion gewesen war, weil er für die Herbstsaison bereits eine ähnliche Konzerttournee mit Wilhelm Furtwängler und seinen Berliner Philharmonikern abgeschlossen hatte– als Dank Berlins für die amerikanische Luftbrücke während der Berlinblockade. Krausnik bekam einen Wutanfall. Herzog aber kapitulierte wie der Hase vor dem Igel. Wieder war der Alte ihm zuvorgekommen.
    Ein ganzer Sommer lag vor ihm, ohne Termine, ohne Verpflichtungen und ohne Engagement. Eine Niederlage einzugestehen und nach Hause zu fahren, dazu war er nicht bereit. Dort wartete sowieso niemand auf ihn. Die Kinder waren bei den Schwiegereltern, und Gudrun pendelte zwischen den Festspielen von Bayreuth, Salzburg und München. Also beschloß er, vorerst in New York zu bleiben, wo er nicht bekannt war wie ein bunter Hund, um in einer gewissen Abgeschiedenheit einen langgehegten Plan zu verwirklichen und zu komponieren. Wer komponieren will, der muß bereit sein, der Welt für eine Weile t schüs zu sagen, hatte Lassally ihn am Telefon gewarnt. Mit seiner Hilfe hatte er in Greenwich Village ein kleines Studio gefunden, in dem er ungestört arbeiten konnte.
    Der Taxifahrer setzte ihn vor dem Red Lions Inn ab, einem weiß gestrichenen Bretterkasten im New-England-Stil. Nach den Konzerten saßen dort die Gäste mit ihren Nightcupsauf einer weitläufigen Veranda in den Schaukelstühlen und verfolgten den bunten Korso, der die Main Road auf und ab wogte.
    Musikstudentinnen aus den Sommerseminaren schlenderten zu zweit, zu dritt mit ihren Instrumentenkoffern oder Geigenkästen über den Fahrdamm, musizierten mit den Kommilitonen, die vor den hell erleuchteten Drugstores und den Luncheonettes auf leeren Pappbechern, Blechdosen und Mülltonnen trommelten. Sie nickten mit den Köpfen, wippten mit den Füßen, schnipsten mit den Fingern, gelenkig wie mit Glocken behängte schräge Vögel.
    Karl schaute ihnen eine Weile zu, ballte die Fäuste und trommelte auf dem Geländer ihren Rhythmus mit, bis sie plötzlich wie auf Kommando stoppten, aufsprangen und in lautes »V ivat, crescat, floreat!« ausbrachen. Sie winkten über die Straße zu ihm hinüber, so daß er schon glaubte, erkannt worden zu sein, und ihre Beifallsbezeugungen erwidern wollte, als er plötzlich hinter sich die grollende Stimme Gottwalts hörte. » Sorry, mein Lieber, aber diese Hosiannarufe gelten dieses Mal mir, nicht dir!«
    Karl wagte nicht, sich umzudrehen, während der GMD weitersprach. » Krausnik sagte mir, du würdest das Weekend über im Red Lions Inn logieren«.
    » Ich habe ihn darum gebeten, ein Treffen mit Ihnen zu vermitteln.« Er war auf eine Begegnung mit Gottwalt zwar gefaßt gewesen, aber nicht darauf, wie direkt der GMD das Gespräch eröffnete.
    » Und warum hast du mich nicht selber angerufen?«
    Karl stieß sich vom Geländer ab und drehte sich um. Der GMD saß in einem Schaukelstuhl. » Meine Nummer steht nämlich im Telefonbuch, verdammt noch mal!«
    Ein Streichholz flammte auf, und Karl sah in sein herrisches Gesicht. Mit einer Miene unterdrückten Ärgers sog er die Streichholzflamme tief in den Pfeifenkopf. Seine Haare mochten einstmals feuerrot gewesen sein, jetzt waren sie nur noch ein farbloser Flaum, ein kranzförmiges Kräuseln über den Ohren. Doch wie viele kahle Schädel hatte auch der seine eminente Wucht.
    » Wie konnte ich wissen, ob Sie überhaupt noch mit mir reden.«
    » Der Wunsch nach Vergeltung ist zwar verständlich, aber auch ein Zeichen von Schwäche. Ich und meine Familie haben viel gelitten unter dem unbehausten Hoteldasein auf unserer Flucht von Land zu Land und den ewigen Geld- und Paßsorgen, während uns die Ohren klangen von den Schandtaten zu Hause. Doch auf Leid kann man weder ein neues Leben gründen noch eine Zukunft aufbauen.« Er zog an seiner Pfeife, tätschelte den kahlen Kopf und scheuerte nach einer kleinen Pause schließlich lebhaft auf ihm herum. » Dann also schieß mal los, mein Junge! Laß hören, was du auf dem

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