Augenblick der Ewigkeit - Roman
Straßenseite hatten Passanten und Autos veranlaßt, neugierig stehenzubleiben, so daß es vor dem Hotel zu einem kleinen Verkehrschaos gekommen war. Denn jeder wollte wissen, welche Celebrity so enthusiastisch gefeiert wurde. Gottwalt blieb also nichts anderes übrig, als sich auf der Hotelveranda würdevoll vor seinen Schülern und Studenten zu verneigen, indem er beide Arme ausbreitete mit einer Geste, die sagen sollte: »Z u viel der Ehre, ich bin entwaffnet.« Danach ging er zurück zur Bar, um sich einen neuen Drink zu holen. An der Schwingtür zum Saloon drehte er sich noch einmal um. » Komm doch einfach morgen zu uns zum Abendessen. Die Zwillinge werden sich bestimmt freuen. Wir machen keine Umstände, doch wie ich meine Lisbeth kenne, wird es wie immer welche geben. Und komm ruhig eine halbe Stunde früher. Ich möchte dir nämlich etwas Interessantes zeigen.«
» Siehst du da unten am Waldrand den schwarzen Packard?« Gottwalt reichte ihm das Fernglas, und in der Vergrößerung sah Karl zwei Männer mit Sonnenbrillen und Schlapphüten, die unverhohlen die rote Scheune observierten, in der der GMD im Sommer seine Seminare abhielt.
» Seit Tagen registriert die CIA jeden, der hier aus- und eingeht. So versucht man, mich zu isolieren, meine Freunde und Studenten einzuschüchtern. Ich kann ihnen nicht entkommen. Ich stehe praktisch unter Hausarrest, und jeder Kontakt zu meinen Studenten wurde mir untersagt. Sie haben sogar meinen Paß eingezogen. Ihre Maßnahmen scheinen subtiler zu sein als die der Nazis dreiunddreißig: Sie wollen mich nicht aus dem Land verjagen. Im Gegenteil– sie wollen, daß ich nach Washington komme und vor ihnen zu Kreuze krieche.«
» Was wirst du jetzt tun…«
» Ganz einfach: Ich spiel ihr Spiel nicht mit. Ich werde den Herren vom Ausschuß eine Abfuhr erteilen. Punktum und damit basta! Jetzt komm, sonst wird das Essen kalt.«
Der GMD stieß das wacklige Gartentürchen auf und ging durch den zerzausten Gemüsegarten zurück zum Haus. Es war ein wohlproportioniertes Bauernhaus aus purpurroten Backsteinen und weißen Sprossenfenstern, mit Efeu überzogen, das in der Abendsonne dunkel glänzte. Ins Kraut geschossene Salatköpfe sprossen zwischen Bohnensträuchern, und in Nestern aus Häcksel und Streu lagen überreife Tomaten, die von den Stauden herabgefallen waren. Er bückte sich und pflückte noch eine Handvoll Schnittlauch und Petersilie für die Küche. » …um die frischen Kräuter über das Hotchpotch zu streuen. Franziskas Lieblingsessen!«
Karls spürte sein Herz schneller schlagen. Insgeheim hatte er darauf gehofft, daß auch Franziska eingeladen werde, spielte aber gleichwohl den Überraschten » Wieso, kommt denn Franziska auch?«
» War das nicht der eigentliche Grund, warum du Krausnik beauftragt hast, Kontakt zu mir aufzunehmen?«
Eine verführerische Zartheit ging von Franziska aus, wie sie mit übereinandergeschlagenen Beinen und verschränkten Händen auf einem geblümten Sofa saß und ihm ernst entgegenblickte. Sie trug ein blaues Twinset zu einer wadenlangen weißen Caprihose und wippte mit dem rechten Bein. Im runden Ausschnitt ihrer roten Ballerinaschuhe konnte er die Ansätze ihrer nackten Zehen sehen. Sie richtete sich auf, umfaßte mit beiden Händen das übergeschlagene rechte Knie und zog es wie bei einer Yogaübung zu sich heran.
» Hallo, Karel.«
Er hob die Hand und ließ sie wieder sinken. » Hallo, Franziska.«
» Dieselbe Nase, dasselbe Kinn, dieselben Ohren, und trotzdem hast du dich verändert.«
» O ja, und wie!« Er war beeindruckt von ihrer Ausstrahlung, die ihn, als er ins Zimmer trat, sogleich in ihren Bann gezogen hatte. Sie machte keine Anstalten aufzustehen, ihn zu begrüßen, sondern schaute ihn nur unverwandt und vorsichtig mit wachsamen Augen an– dunkelbraunen Augen, die ihm von früher so sehr vertraut waren, daß er sich wünschte, er könnte das, was er ihr zugefügt hatte, mit wenigen Worten ungeschehen machen. Doch magische Sätze, die solche Zauberworte enthielten, fielen ihm nicht ein. Um so befangener machte ihn ihre abwartende Art, so daß er nichts Besseres wußte, als sie zu fragen: » Wie fühlst du dich hier in Amerika?«
» Dankbar– und unglücklich.«
Es war nicht leicht, nach so langer Zeit die richtigen Worte zu finden. Davor hatte er am meisten Angst gehabt, und es war ihm gar nicht recht, daß sich die Gottwalts in die Küche verzogen und sie allein mit ihm ließen.
» …Heimweh?«
Ihr harter
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