Augenblick der Ewigkeit - Roman
über Satellit mit New York gegen achtzehn Uhr zu buchen und sie in die Zentrale der Victorine Studios zu legen. Dann wollte er wissen, ob es gelungen sei, an ein Vorausexemplar des Spiegel zu kommen, der Anfang nächster Woche mit einer Titelgeschichte zu seinem Achtzigsten herauskommen sollte. Er war nicht besonders erpicht darauf zu erfahren, was die Spiegel -Mafia über ihn schrieb. Im Grunde war es die immer gleiche Litanei vom »philharmonischen Hohenpriester, der mit gleicher Gemeinde ein Hochamt feiert…, den Taktstock wie einen Zauberstab in seinen magischen Händen…, vom Publikum angebetet…, als Akt himmlischer Eingebung…, keine Götter neben und ein Heer von Gläubigen unter sich…« et cetera pp.– er wollte nur gewappnet sein, um gegen allfällige Unterstellungen oder Verleumdungen rechtzeitig mit einer einstweiligen Verfügung reagieren zu können.
» Leider noch nicht, Maestro. Aber unsere Hamburger Freunde sind am Ball.«
Während er auf den Anruf der Fotografin wartete, legte er sich auf die Couch, bedeckte das Gesicht mit seinen Händen und versuchte, nicht an ihren nackten Körper auf der Luftmatratze zu denken. Nach einer Weile jedoch stellte er sich vor, wie sie ihm nach dem Lunch aufs Hotelzimmer folgte, sich als erstes ihrer Espadrilles entledigen, dann den Jeansrock mitsamt dem Höschen über ihre Hüften ziehen, ihre Bluse und den Büstenhalter aufknöpfen, sich mit ausgestreckten Armen vorbeugen würde, um die beiden leeren Körbchen leicht mit ihren Händen aufzufangen– er richtete sich auf und schüttelte sich die Altmännerphantasien aus dem Kopf.
Als endlich das Telefon klingelte, hielt er den Atem an. Er nahm nicht ab, sondern blieb regungslos liegen und zählte mit, wie oft sie es klingeln ließ, um herauszufinden, wie hartnäckig sie war. Nach dem zehnten Mal verstummte das Telefon, aber er wußte, sie würde es gleich noch einmal versuchen. Als dann das Telefon abermals klingelte, räusperte er sich kurz, bevor er den Hörer abnahm.
Danach hatte er das Gefühl, eine große Dummheit begangen zu haben. Er spürte, wie sein Herz bei dem Gedanken an ein Abenteuer mit der jungen Fotografin schneller schlug. Er hatte sich zwar nur zum Essen mit ihr verabredet, aber wenn ihn nicht alles trog, hatte sie ihm beim Fotoshooting so deutliche Avancen gemacht, daß er schon befürchtete, Maria könnte es bemerkt haben. Er verzog vor dem Badezimmerspiegel das Gesicht zu einer schiefen Grimasse, schnitt sich die Nasenhärchen mit einer Nagelschere und ärgerte sich über sich selbst. » Du stellst dich an wie ein Pennäler vor dem ersten Rendezvous.«
In seinem Alter war ein amouröses Abenteuer wie eine Schlacht im Schützengraben. Man wußte, drüben lauerte der Feind. Es wäre also klüger, sitzenzubleiben und den Kopf einzuziehen, als blindlings loszustürmen. Doch dann kam von Cosmo die Mitteilung, der Wagen sei vorgefahren.
Im Château de la Chèvre d’Or, einem verschwiegenen Hotelrestaurant inmitten des kleinen mittelalterlichen Städtchens, das auf einer Felskuppe hoch über dem Meer thronte, hatte er sich mit Betsy Dunn zum Lunch verabredet. Er schaute auf die Uhr. Er hatte sich verspätet und mußte sich beeilen, wollte er rechtzeitig in Èze sein. Nachdem Maria ihn nach dem Frühstück unter dem fadenscheinigen Vorwand verlassen hatte, sie hätte eine wichtige Verabredung im Hôtel de Paris, argwöhnte er, sie könnte sich dort mit einem Liebhaber getroffen haben. Deshalb ließ er sich, hinter einer Zeitung versteckt, in der Hotelhalle die Schuhe putzen, bevor er aufbrach. Hoffte er, sie in flagranti zu ertappen? Lächerlich! Er war es doch, der auf einen Seitensprung aus war.
Am Stadtrand von Èze mußte er den Wagen auf der Place du Général de Gaulle abstellen, da in den verwinkelten Gäßchen des Dorfs, die durch Passagen und Treppen miteinander verbunden waren, keine Autos fahren durften. Anstatt die Avenue du Jardin hinaufzusteigen, blieb er stehen und blickte hinunter aufs Meer.
Großer Gott, was ist denn schon dabei, wenn man sich mal mit einem jungen Ding verabredet? Sie könnte seine Enkeltochter sein. Unschlüssig malte er sich aus, was passieren würde, wenn man sie in flagranti entdeckte. Er schüttelte den Kopf. Alter, mach keinen Narren aus dir. Für einen Moment hatte er sich vorgestellt, mit ihr zu schlafen, und wußte doch zugleich, daß es nicht dazu kommen würde. Er drehte sich um. Vom gegenüberliegenden Ende des Platzes hörte er Geschrei und
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