Augenblicklich ewig
umfasste sie mit beiden Händen sein Gesicht. »Sam, sieh mich an«, brachte sie noch heraus, bevor der Raum um sie herum verschwamm. Aber sie weigerte sich, sich mitreißen zu lassen oder auch nur die Augen zu schließen. Sam hob den Kopf und sie hielt sich an seinem Blick fest. Ertrank beinahe in seinen dunklen Augen. Das Treppenhaus wirbelte um sie herum. Übelkeit kroch ihre Kehle empor. Sie verdrängte alle Bilder aus ihrem Kopf, sah nur Sams Augen. Sie würde ihm beweisen, wie wichtig er ihr war.
Als sie es schließlich nicht mehr aushielt, setzte sie sich keuchend nach hinten auf den Boden. Das Wirbeln stoppte und sie konnte wieder frei atmen. Sam sah sie besorgt an.
»Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen«, versicherte Polly ihm.
»Das hast du nicht.« Er wollte eindeutig nicht, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam, sich unwohl mit ihm fühlte. Das war offensichtlich. Er wollte sie nicht verschrecken und war immer noch vorsichtig. Seine Zurückhaltung schmerzte Polly. Er sollte nicht ständig Rücksicht auf sie nehmen müssen. Sie verkraftete einiges, auch Kritik.
»Natürlich habe ich dich verletzt. Sonst würdest du wohl kaum hier so sitzen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum ich dich nicht angerufen habe. Es mag eigenartig klingen, aber ich habe einfach nicht daran gedacht. Dabei hast du mir gefehlt.«
Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. Endlich rappelte er sich vom Boden auf und hielt ihr seine Hand hin. Polly griff zu, ohne zu zögern, und war froh, nicht wieder in den Strudel zu geraten. Ihr Magen hatte sich noch nicht ganz erholt. Sam wartete einen Augenblick, zog sie dann aber in seine Arme.« Du hast mir auch gefehlt. So sehr.« Er vergrub seine Nase an ihrem Hals. Wie immer zeigte er seine Zuneigung vollkommen offen, hielt nichts zurück.
Es war an der Zeit, ihm etwas zurückzugeben. »Ich bin hoffnungslos in dich verliebt, Sam.«
Sie fühlte sein Lächeln an ihrer Wange.
Zusammen sind wir weniger allein
In den nächsten Wochen verbrachten Polly und Sam jede freie Minute miteinander. Außerdem arbeiteten sie, wann immer es möglich war, gemeinsam. Polly war rundum glücklich. Sie hatte sich noch nie zuvor so lebendig und energiegeladen gefühlt. Das Wirbeln durch Raum, Zeit und die unzähligen Details einer Vergangenheit, an die sie sich nicht erinnerte, hatte längst aufgehört. Sie waren sich so nahe, selbst nach Stunden der Trennung erschienen keine Bilder mehr in ihrem Kopf. Auch die Träume blieben aus. Offenbar war das Schicksal zufrieden mit ihr und Sam und hielt es nicht mehr für nötig, Polly in die richtige Richtung zu schubsen. Sie erfüllten ihre Bestimmung, indem sie zusammen und glücklich waren. Dennoch fühlte Polly sich immer noch nicht dazu bereit, mit Sam zu schlafen. Warum, war ihr selbst inzwischen ein Rätsel. Sie liebte es, ihn zu küssen und sich an ihn zu schmiegen. Und gelegentlich, wenn sie ihn heimlich beobachtete, konnte sie es kaum fassen, dass dieser gutaussehende und liebevolle Mann sein Leben mit ihr verbringen wollte. Obwohl Sam sie nicht drängte, nein, noch nicht einmal nach ihren Gründen fragte, geschweige denn versuchte, diese unausgesprochene Grenze zu übertreten, fühlte sich Polly zunehmend unwohl mit der Situation. Auf keinen Fall wollte sie ihm das Gefühl geben, ihn nicht zu begehren. Der Druck in ihrem Inneren stieg, aber sie konnte ihrem Verlangen nicht nachgeben.
»Polly?«
»Hm?«
»Schläfst du schon?«
Polly lag an Sams Seite gekuschelt in ihrem Bett, den Kopf auf seiner Brust gebettet, wie so häufig in der vergangenen Zeit.
»Höchstens ein bisschen. Was ist denn?« Sie wollte ihn ihr Grübeln nicht merken lassen.
»Ab morgen ist mein Freund Jakob für zwei Tage in der Stadt und ich frage mich, ob du Lust hast, ihn kennenzulernen.«
Schlagartig war Polly hellwach. »Dein Freund Jakob kommt nach Köln? Morgen? Und das fällt dir erst jetzt ein?«
»Ja, er hat angerufen, als du im Bad warst, aber, als du endlich wieder herauskamst, hat mich dein Anblick in diesem knappen T-Shirt abgelenkt.« Er zupfte am Saum ihres Shirts und drückte ihr dann einen Kuss auf den Handrücken.
Pollys Haut kribbelte. Sie drängte das warme Gefühl, das sich ausbreitete, beiseite, bemüht, sich auf den morgigen Tag zu konzentrieren. »Die ganze Zeit über warte ich darauf, etwas Konkretes aus deinem Leben zu erfahren, einen Beweis dafür zu bekommen, dass du nicht einfach aus dem Nichts aufgetaucht bist, um
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