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Augenblicklich ewig

Augenblicklich ewig

Titel: Augenblicklich ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Neuberger
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Antwort war selbst jetzt noch leicht: Sie hatte keine Wahl gehabt.
    Nur dumpf nahm Polly wahr, wie ihr Handy ununterbrochen klingelte. Da es bereits mitten in der Nacht war, konnte es nur Sam sein, der anrief, sich erklären oder entschuldigen wollte. Was auch immer er zu sagen hatte, sie wollte es nicht wissen. Nicht jetzt, sie wollte nichts von ihm hören.
    Polly wusste nicht, wie lange sie schon auf dem Boden saß. Es war dunkel, sie fror. Die Tränen waren versiegt. Schließlich raffte sie sich auf und legte sich auf ihr Bett. Sie senkte den Kopf auf ihr Kissen und schreckte im gleichen Moment hoch. Es roch nach Sam. Sein Geruch war in ihrer Bettwäsche, in ihrer Wohnung, ja sogar in ihren Haaren. Wütend sprang sie auf und riss die Bezüge förmlich von Decke und Kissen. Erst als sie frische Laken aufgezogen hatte, konnte sie sich hinlegen. Polly lag wach, bis es hell wurde. Gelegentlich klingelte ihr Handy. Zu erschöpft, um es einfach abzuschalten, ignorierte sie es.
    Kaum war die Sonne aufgegangen, klingelte es an der Tür. Sam. ‚Ich werde nicht aufgeben Polly. Niemals. Ich kann nicht anders.‘, schossen ihr Sams Worte in den Kopf. Wieder klingelte es. Wenn sie nicht öffnete, würde er einen Weg ins Haus finden und vor ihrer Wohnungstür warten. Es hatte keinen Sinn, ihn weiter zu ignorieren. Sie stand auf, ging kurz ins Bad und spritze sich Wasser ins Gesicht. Den Blick in den Spiegel ersparte sie sich. Auf dem Weg zur Tür schlüpfte sie in ihre Sneakers, schnappte ihre Schlüssel und ihre Lederjacke und machte sich dann auf den Weg nach unten. Das Letzte, das sie zurzeit ertragen konnte, war, mit Sam allein in ihrer Wohnung zu sein.
    Er stand mit dem Rücken zur Tür, den Blick zum Himmel gerichtet. Das Geräusch der Haustür ließ ihn herumfahren.
    »Polly, mein Gott, endlich«, stieß er hervor. Er machte einen Schritt auf sie zu, sie aber wich zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Tür stieß. Sam verstand.
    »Können wir reden?«
    Sie nickte, bewegte sich aber nicht. Viel zu groß war ihre Sorge, die Fassung zu verlieren, die sie so mühsam aufrecht hielt. Sie wollte nicht weinen.
    Er trat unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. »Sollen wir ein Stück gehen?«
    Wieder nickte sie. Sam schien einen Moment über den Weg nachzudenken und ging dann los. Polly folgte ihm. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Sie gingen schweigend nebeneinander her. Endlich setzte Sam sich auf eine Bank am Rande einer großen blütenübersäten Wiese. Sie waren im Stadtgarten. An ihrer Wiese. Polly blieb einen Moment lang unschlüssig stehen, während Sam geduldig wartete. Schließlich setzte sie sich, hielt den Blick aber auf ihre Hände gesenkt, die sie im Schoß gefaltet hatte.
    »Verzeih mir«, flüsterte Sam. Sie antwortete nicht. »Ich hätte dir davon erzählen sollen.«
    Zum ersten Mal, seit sie gestern das Restaurant verlassen hatten, schaute Polly Sam wieder an. Er sah müde aus, seine Augen waren gerötet und seine Haut blass. Sein trauriger Blick ruhte auf ihr.
    »Es tut mir aufrichtig leid.« In seiner Stimme lag ein inständiges Bitten.
    »Was tut dir leid, Sam?«
    Er zuckte kurz zusammen. Selbst für ihre Ohren klang ihre Stimme ungewohnt, vollkommen tonlos. »Dass ich dir nicht von Sarah erzählt habe.« Er zögerte »Ja sogar, dass es überhaupt etwas zu erzählen gibt. Ich hätte es besser wissen müssen.«
    Polly spürte seine Reue.
    »Ich war so einsam. Ich war allein mit all meinen Erinnerungen, allein mit einem Leben, das ich bereits gelebt hatte.« Seine Stimme war leise und traurig, aber er zögerte nicht. »Ich habe nach dir gesucht und nicht einen Hinweis gefunden. Ich wusste nicht, in welcher Stadt ich suchen sollte oder in welchem Land. Ich hatte langsam das Gefühl, verrückt zu werden. Was, wenn ich an etwas festhielt, das niemals eintreffen würde? Wenn ich dich nicht wiederfinden würde? Ich verlor das Vertrauen in unser Schicksal, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte.«
    Polly sah Sam weiterhin an. Sie verstand ihn sogar, sagte aber nichts.
    »Ich war jung und einsam. Und dann traf ich Sarah. Das klingt vielleicht nach einem Klischee, aber so war es. Sie war die Freundin von Freunden und irgendwie immer in meiner Nähe. Ich hielt sie zunächst auf Abstand, aber ich mochte sie. Sie war nett, ließ sich nicht durch meine distanzierte Haltung beirren und brachte mich zum Lachen. Nach einigen Wochen gab ich auf, ich wollte nicht länger einsam sein. Sie küsste mich und ich

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