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Augenzeugen

Augenzeugen

Titel: Augenzeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Gesicht.
    «Wollt ich nicht», raunte er. «Du bist so schön.» Er saugte an ihrem Ohrläppchen und griff nach dem Duschgel. «Komm her, ich helf dir beim Einseifen.»
    Aber sie legte die Hände auf seine Brust und schob ihn weg. «Nein, Helmut, nicht heute. Ich krieg meine Periode, ich hab Bauchschmerzen, ich hab Kopfschmerzen und mir ist speiübel. Ich will nur noch in mein Bett.»
    Wortlos hängte er sich ein Badetuch über die Schultern, hob seine Kleider auf und ging, nass wie er war, in sein Zimmer. Er wusste nicht, was er fühlte. In ihren Augen war keine Spur von Bedauern gewesen.
    Auf seinem Schreibtisch stand, gegen das Telefon gelehnt, eine Fotografie von Alina Escher, die Porträtaufnahme aus dem ersten Aktenordner.
    Sie war ein hübsches Kind gewesen, damals fast genauso alt wie Katharina jetzt. Die beiden hätten Schwestern sein können, das gleiche lockige Haar, die gleichen großen, dunklen Augen im herzförmigen Gesicht, das energische kleine Kinn.
    Toppe trocknete sich ab, schlüpfte in Slip und T-Shirt und nahm sich die Zeitungsartikel der Niederrhein Post vom Sommer 1997 vor, in der es um Gernot Eschers offenbar sehr schmutzige Scheidung ging.
    Natürlich hatte sich die Soko, nachdem der erste Artikel erschienen war, mit Eschers Vergangenheit beschäftigen müssen, und Toppe war froh, das Geschmiere dieses vorgeblichen Journalisten beiseite zu legen und sich dem sachlichen Ton der Ermittler zuwenden zu können.
    Gernot Escher war seit 1975 verheiratet gewesen, es gab zwei gemeinsame Töchter. Seine Frau Christa hatte 1986 einen anderen Mann kennen gelernt, einen recht angesehenen Bildhauer, und sich von Escher, der damals Staatsanwalt in Köln gewesen war, trennen wollen. Escher hatte augenscheinlich sehr um den Bestand seiner Ehe gekämpft, dennoch hatte seine Frau 1987 die Scheidung eingereicht. Ihrem Anwalt gegenüber hatte sie als Grund dafür angegeben, sie befürchte, dass Escher seine beiden Töchter, zu dem Zeitpunkt acht und zehn Jahre alt, sexuell belästige. Im folgenden, offenbar sehr üblen Sorgerechtsprozess war der Anwalt dann mit dieser Anschuldigung herausgerückt. Sie hatte sich letztendlich als gegenstandslos erwiesen, aber bis dahin war sie längst durch die Kreise der Kölner Gerichtsbarkeit getragen worden, und man hatte Escher nahe gelegt, sich versetzen zu lassen. So war er Oberstaatsanwalt in Kleve geworden.
    Die Soko Alina hatte den ganzen Skandal noch einmal aufgerollt. Kernstück war die Vernehmung von Christa Escher, die letztendlich versichert hatte, dass es niemals zu einer sexuellen Belästigung gekommen war. Sie habe zwar ihrem Anwalt gegenüber erwähnt, dass Escher, seit er von ihren Trennungsabsichten wusste, auffällig intensiv mit den Mädchen geschmust, ja sogar mit ihnen gemeinsam gebadet und im Bett gekuschelt hätte, und das alles wäre sehr ungewöhnlich gewesen, denn Escher sei eher ein kühler, zurückhaltender Typ. Aber Christa Escher betonte, dass sie ihren Anwalt nie angewiesen habe, ihrem Mann daraus einen Strick zu drehen.
    Toppe lehnte sich zurück und rief sich Gernot Escher in Erinnerung. Kühl und zurückhaltend? Das war milde ausgedrückt. In seinen Gesprächen mit ihm über den Verhoevenmord und Geldeks Beteiligung daran hatte Toppe ihn als strengen, überkontrollierten Mann von geradezu preußischer Disziplin und Härte erlebt. Aber war es verwunderlich, dass auch so jemand sich seinen Kindern zuwandte, wenn er wusste, dass er bald von ihnen getrennt sein würde?
    Er nahm sich wieder die Zeitungsartikel vor. Zwar war im August ein Bericht erschienen, aus der Feder eines anderen Journalisten übrigens, der ausführlich erklärt hatte, dass sämtliche Vorwürfe gegen Escher entkräftet wären, aber da war es um dessen Reputation in Kleve längst geschehen gewesen. Er war schon zu Beginn der Rufmordkampagne vom Dienst suspendiert worden und hatte sich dann wieder einmal versetzen lassen müssen. Er war Leitender Oberstaatsanwalt in Düsseldorf geworden und wohnte, vermutlich heute noch, in Meerbusch-Büderich.
    Toppe musste zweimal hinschauen, Büderich, der Ort, wo er geboren und aufgewachsen war – die Welt war wirklich klein. Er zog seinen Block heran und schrieb. Noch mehr Fragen, die er Escher stellen wollte, Fragen zu Geldeks Prozess damals und Fragen zu Alinas Verschwinden, zu der «Entführung».
    Mit den Akten allein kam er im Augenblick nicht weiter. Er musste mit dem Mann sprechen.

Zwölf
    Der Mittwoch war ein Spätsommertag von

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