Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
bleiben zu können. Dass sie exakt ein Jahr vor meiner Geburt zur Wintersonnenwende dort gewesen ist, wäre ein zu großer Zufall, um … wirklich einer zu sein.«
»Warum bist du eigentlich so überrascht, dass wir Eowyn Harris kennen?«, fragte Zachary seinen Vater. »Hat sie irgendetwas mit der ganzen Sache zu tun?«
Ian Moore griff nach der Weinflasche und füllte Ginas Becher auf, obwohl sie ihn noch gar nicht ausgetrunken hatte. »Eowyn Harris war am gleichen Tag in Newgrange wie ich und deine Mutter«, antwortete er, sah dabei aber mich an. »Und zwar – wie du eben schon ganz richtig bemerkt hast – exakt ein Jahr vor deiner und Zacharys Geburt zur Wintersonnenwende. Zusammen mit siebenundneunzig anderen willkürlich ausgewählten Menschen aus aller Welt.«
»Und die kennen Sie alle namentlich?«, fragte ich. »So wie Eowyn Harris?«
»In der Tat.« Er griff wieder nach seinem Besteck. »Leider muss ich die Unterhaltung jedoch an dieser Stelle beenden. Sonst verliere ich meinen Job.«
Einen Moment lang herrschte unbehagliches Schweigen, bis Gina sich schließlich räusperte und betont munter sagte: »Was ist nur mit dem Wetter los? Erst war es viel zu warm für die Jahreszeit und jetzt ist es auf einmal bitterkalt geworden.«
Ich sah Zachary an, der über den abrupten Themenwechsel genauso überrascht und frustriert zu sein schien wie ich.
Tante Gina klappte die Pizzaschachtel auf und nahm sich noch ein Stück heraus. »Wenigstens weiß ich, dass ich heute Nacht unter eine warme Flanelldecke kriechen kann, das ist ein kleiner Trost.« Sie lachte.
»Flanell?«, sagte ich und versuchte, mir meinen Schreck nicht anmerken zu lassen. »Jetzt schon?«
»Bald ist Weihnachten«, erwiderte sie. »Du weißt doch, dass ich die Decken normalerweise schon um Thanksgiving herum mit den Flanellbezügen beziehe, aber dieses Jahr war es so warm, dass ich erst heute daran gedacht habe.« Sie trank einen Schluck Wein und warf mir einen vielsagenden Blick zu. »Jetzt haben wir beide es kuschelig warm und können ganz beruhigt schlafen.«
Ich konnte ihr nicht in die Augen schauen und schob die Pizzakrusten auf meinem Teller hin und her. Sie wusste es. Sie hatte das neue dunkelblaue Bettzeug entdeckt, das ich gekauft hatte. Wahrscheinlich lag es jetzt im Müll oder sie hatte es in einen Kleidercontainer geworfen. Das bedeutete dann vermutlich das Ende meiner Nächte mit Logan – den paar wenigen, die uns noch geblieben wären, bis er hinüberwechselte. Ausgerechnet an meinem Geburtstag.
Zachary rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Ich hoffte, dass er mir meine Betroffenheit nicht anmerkte oder sie zumindest nicht persönlich nahm. Andererseits konnte er doch wohl kaum erwarten, dass ich mit Logan Schluss machte … selbst wenn wir uns vorhin geküsst hatten, oder? Konnte man mit jemandem, der tot war, überhaupt Schluss machen?
Zachary beugte sich zu mir vor. »Hast du nicht gesagt, dass du dir das Haus gern ansehen würdest?«, fragte er.
Ich nickte dankbar.
»Gute Idee«, sagte sein Vater. »Es ist wirklich faszinierend, die Räume zu besichtigen, in denen Poe gelebt hat.«
Einen Moment später stiegen wir vorsichtig die schmale Holztreppe hoch, die in der Mitte eine scharfe Biegung nach links machte. Zachary ging hinter mir her und legte mir eine Hand auf den Rücken, um mich zu stützen, aber meine Knie wurden von dieser Berührung so weich, dass es eher den gegenteiligen Effekt hatte.
Im zweiten Stock befanden sich zwei Schlafzimmer, die beide – wie die Auswahl der Farben und Stoffe verriet – eindeutig von einer Frau eingerichtet worden waren. Im zweiten Raum führte eine noch schmalere Stiege in ein Dachzimmer hinauf. In dem engen Treppenaufgang war es so dunkel, dass ich kaum meine Füße sehen konnte und ganz langsam ging, um nicht zu stolpern.
In dem winzigen Raum standen lediglich ein niedriges Bett und ein Schreibtisch vor einem Gaubenfenster. Neben dem Tisch hing eine Lampe mit einer Glühbirne, die flackerndes Kerzenlicht simulierte und tanzende Schatten an die nackten, cremefarben gestrichenen Wände warf.
»Au!«
Zachary hielt sich den Kopf, den er sich an der Dachschräge gestoßen hatte, und stellte sich in die Mitte des Zimmers, wo er zumindest halbwegs aufrecht stehen konnte.
Selbst ich musste mich ducken, als ich zum Fenster ging, dessen Läden als Einzige im ganzen Haus nicht geschlossen waren. Durch die Scheibe blickte ich auf ein verwaistes Grundstück auf der
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