Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
trug er die Verantwortung. Axel Rütter befolgte
seine Befehle nicht. Er lehnte es ab, eine Rettungsweste anzulegen. Die Wogen
türmten sich hoch und höher. Kochende See umgab das Boot. Ohrenbetäubend war
das Tosen des Sturmes. Schauderhaft das An- und Abschwellen des Sturmgebrülls.
Die Vorschot musste dichtgeholt werde. Durch die grauweiße Gischt sah er noch,
wie sein Vorschotmann über Bord gespült wurde und wie das Antlitz von Axel
Rütter in den Wellen versank. Den Rettungsring von der Reling konnte er ihm
nicht zuwerfen. Er erreichte den Ring nicht, zwei kräftige Arme hielten ihn
fest und pressten ihn in die Plicht der Yacht zurück. Egal, schicksalsergeben
ließ er sich in den Steuerstand zurückdrücken.
Die Bilder in seinem Hirn verflüchtigten sich.
Ein stechender Schmerz in seiner rechten Ellenbeuge holte Hanson langsam aus
seinen Träumen in die Wirklichkeit zurück. Über ihm standen zwei
Rettungssanitäter in weißer Tracht, die ihm einen intravenösen Zugang gelegt
hatten und ihm eine Infusion isotonischer Kochsalzlösung verabreichten. Grell
und schrill war das Martinshorn zu hören, der Rettungswagen fiel von einem
Lenkextrem in das andere und schaukelte mächtig hin und her, dann lagen die
S-Kurven hinter ihnen. Jetzt erst war einer der Sanitäter in der Lage, der
Infusion ein Beruhigungsmittel beizumischen.
„Ruhig Blut Herr Hauptkommissar, Sie haben einen
Schock, wir bringen Sie ins Krankenhaus nach Plön.
„Rütter, was ist mit Rütter, lebt er?“, fragte
Hanson mit zitternder Stimme.
Doch seine Frage verhallte ungehört. Mit Blicken
verständigten sich die beiden Sanitäter. Sie schienen sich einig, diese Frage
unbeantwortet zu lassen.
„Innere oder äußere Verletzungen scheint er
nicht zu haben, auf einen Volumenexpander können wir verzichten“, hörte Hanson
noch, bevor sich eine angenehme Schwere gepaart mit einer wohligen Wärme seines
Körpers bemächtigte. Dann war Hanson tief und fest eingeschlafen.
Er hörte nichts, er sah nichts, nur unbändiger
Durst quälte ihn. Es war schlimmer als die wahnsinnigen Kopfschmerzen, die
seine Sinne zögernd wieder in sein Bewusstsein zurückkehren ließen. Ein
penetranter Desinfektionsgestank kroch in seine Nase, verstärkte mit jedem seiner
Atemzüge seine Übelkeit und ließ ihn vollends wach werden. Aus der Ferne hörte
er Geschirr klappern, dann die vertraute Stimme seines Freundes. Als er die
Augen aufschlug, blendete ihn die Deckenbeleuchtung. Ein kaltes Neonlicht
flackerte im ständigen Rhythmus an einer weißen Zimmerdecke. Hanson konnte sich
an nichts erinnern. Mühsam musste er sich an den geschehenen Abläufen
zurückhangeln, wollte er Klarheit über seinen Zustand, über Wochentag und
Stunde erlangen. Richtig, er war mit einem Kollegen in Richtung Bosau
unterwegs. Wer aber war bloß dieser Mitarbeiter? Dann sickerte langsam der
Unfall in seine Erinnerungen zurück. War es gestern oder vorgestern? Was war
heute für ein Datum? Und mit wem flüsterte Gerber? Hanson wendete seinen Kopf
und spürte zuerst ein weiches Kopfkissen an seiner Wange und sah dann seinen
Freund, gegenüber einer weißgekleideten Frau mit einem Tablett Kaffeegeschirrs.
Das frühe Licht des neuen Tages drang bereits ins Zimmer, als die Deckenbeleuchtung
von der Frau abgeschaltet wurde. Jetzt begann Hanson zu ahnen, dass er in einem
Krankenhaus lag und Gerber sich mit einer Krankenschwester unterhielt.
„ ... wie lange werden Sie meinen Kollegen hier
behalten müssen?
„Wenn die Röntgenaufnahmen ohne Befund sind,
steht einer Entlassung in wenigen Tagen nichts im Wege. Seine schwere
Gehirnerschütterung braucht aber ihre Zeit. In wenigen Minuten liegen die
Aufnahmen vor, dann wissen wir mehr, dann wenden Sie sich doch bitte an den
Chefarzt, der kann Ihnen detaillierte Auskünfte geben“.
„Schwester, und bitte kein Wort über den Tod des
Kollegen Rütter. Ich werde ihm alles erklären, ich habe den Unfall gesehen.
Wie wuchtige Keulenschläge trafen Hanson die
Worte seines Freundes. Nichts wird mehr so sein wie früher. Alles würde sich
ändern. Das Zimmer schien sich zu drehen. Er, Hanson, hatte den Tod eines
Kollegen, eines vielversprechenden und ehrgeizigen Kollegen zu verantworten.
Eine Hypothek noch schwererer Schuld konnte er sich nicht vorstellen. Er hatte
den Unfall verursacht. Keine Frage, er hatte Schuld, schwere Schuld auf sich
geladen. Aus Angst nun von Gerber die offizielle Nachricht vom Tode Rütters
übermittelt zu bekommen,
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