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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Servomat
    war nur noch ein verschwommener Fleck aus wirbelnden
    Metallteilen zu sehen. Daumengroße Maschinenfragmente
    spritzten nach allen Seiten. Der Servomat schwankte jetzt haltlos hin und her, die Peitsche hatte wohl sein Steuerungssystem beschädigt. Ein größeres Tentakelstück kam aus
    dem Mahlstrom geschossen. Der Lärm war ohrenbetäu-
    bend, als schlügen hundert Schnüre gleichzeitig gegen ros-tigen Stahl. Der Servomat wurde langsamer, eines seiner Beine war abgetrennt. Unter dem goldenen Panzer quoll
    bläulicher Rauch hervor.
    Vielleicht ging es ja doch noch gut aus. Thalia wagte wieder zu hoffen.
    Dann kam, von einem der Tentakel beiseite geschleudert, ein dunkler Gegenstand aus dem Chaos geflogen. Es war
    der Schaft der Hundepeitsche. Die Schnur hing schlaff
    herab. Dicht hinter Thalia fiel die Waffe leise summend zu Boden. Die Schnur zuckte krampfhaft.
    Der Servomat kam immer noch näher.
    Thalia wurde langsamer. Ein Gedanke stieg, glasklar und kalt, in ihr auf. Die Hundepeitsche war beschädigt, jetzt war sie nur noch als tödliche Waffe zu gebrauchen. Thalia blieb sieben, machte auf dem Absatz kehrt und hob den Schaft
    auf. Im Gehäuse klaffte ein Riss, darunter boten sich mehrere Schichten technischen Innenlebens, die sie niemals hätte sehen dürfen, schamlos ihrem Blick dar. Der Griff war warm, und jedes Mal, wenn er summte, durchlief ihn ein
    Zittern. Die Schnur hing herab wie ein Bleilot.
    Thalia drehte die Rändelscheiben am Schaftende, bis die zwei roten Punkte darauf nebeneinander lagen. Die Punkte leuchteten auf und begannen zu pulsieren.
    Granatenmodus. Minimale Sprengkraft. Zündung fünf
    Sekunden nach Aktivierung.
    Die Schnur schnurrte in das Gehäuse zurück. Der schwarze Schaft in ihrer Hand summte noch immer, aber jetzt übernahm mit der eiskalten Präzision all jener Bewegungen,
    die einem durch endlose Wiederholungen ins Muskelge-
    dächtnis eingebrannt wurden, ihre Ausbildung das Kom-
    mando.
    Sie holte weit aus. Die Hundepeitsche löste sich aus ihrer Hand und schwebte in ruhigem Flug dem immer noch an-rückenden Servomaten entgegen. Sie hatte so gezielt, dass die Peitsche knapp vor der Maschine landete. Bei zu gerin-gem Abstand hätte der Roboter Zeit, sie mit seinen Manipulatoren aufzuheben und beiseite zu schleudern. Landete sie zu weit entfernt, würde sie nicht genügend Schaden anrichten. Sie hätte sich gerne den Luxus gegönnt, auf maximale Sprengkraft zu stellen, doch damit hätte sie zwar die Maschine erledigt, aber sich selbst und ihrer Gruppe nicht unbedingt einen Gefallen getan.
    Eine Sekunde.
    »Runter!«, rief sie und schickte sich an, sich auf den
    Boden zu werfen.
    Zwei Sekunden.
    Der Servomat hielt plötzlich an. Der Rauch quoll dich-
    ter unter dem Panzer hervor. Die Maschine war tödlich getroffen, dachte Thalia. Die Hundepeitsche hatte ihre Aufgabe erfüllt. Es wäre Verschwendung, wenn sie jetzt noch explodierte, obwohl der Servomat bereits bewegungsunfä-
    hig war.
    Drei Sekunden.
    »Befehl aufgehoben!«, schrie Thalia. »Aufgehoben!«
    Vier Sekunden. Dann fünf. Die Hundepeitsche lag reglos
    auf dem Boden. Sechs Sekunden versickerten, dann sie-
    ben. Der Granatenbefehl war außer Kraft gesetzt, aber Thalia wurde das Gefühl nicht los, eine Bombe geschaffen zu haben, die nun nicht anders konnte, als zu detonieren, so wie ein Schwert Blut sehen musste, bevor man es in die
    Scheide zurückstecken durfte.
    Mit weichen Knien kroch sie zur Hundepeitsche zurück.
    Die Manipulatoren des beschädigten Servomaten zuckten
    noch immer und wühlten nur wenige Zentimeter vor dem
    Schaft den Kies auf. Die Bürger schauten sich um und fragten sich sicherlich, was sie da trieb. Thalia kniete nieder, streckte den Arm aus und schob die Finger vorsichtig an die beschädigte Peitsche heran. Die Manipulatoren machten einen letzten Versuch, sie festzuhalten, aber Thalia war schneller. Ihre Hand schloss sich um den warmen Schaft
    und zog ihn zurück. Fast wäre sie hintenüber gefallen, doch dann stemmte sie sich hoch und drehte rasch die Aktivie-rungsscheiben in die Neutralstellung zurück.
    »Was jetzt?«, fragte Caillebot. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Die Gruppe war stehen geblieben, alle
    schauten sie an und erwarteten, nein, forderten mit ihren Blicken, dass sie die Führung übernahm.
    Thalia befestigte die beschädigte Peitsche an ihrem Gürtel. Der Schaft summte und vibrierte noch immer. »Wir
    können nicht weitergehen. Mit dieser Hundepeitsche wäre

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