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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sich eine Menge geändert haben, aber Ihre Uniform tragen Sie noch immer. Machen Sie was daraus. Die Bürger verlassen sich auf Sie.«

    Dreyfus döste noch, als der Systemkreuzer nach dem Andocken in das Skelettgerüst des Parkschlittens glitt. Er war eingeschlafen, kaum dass das Schiff seine Rettungskapsel an Bord genommen und er Sparver und Clepsydra wie-dergesehen hatte, dann hatte er fast den ganzen Rück-
    weg nach Panoplia verschlafen. Er hatte von stinkenden
    Sälen geträumt, in denen rohes Menschenfleisch von blu-
    tigen Haken hing, und von einer Frau, die sich Muskeln
    und Sehnen in ihren unanständig rot gefleckten Mund
    stopfte. Als er erwachte und die jüngsten Ereignisse an sich vorüberziehen ließ, kam es ihm vor, als wäre er schon gestern und nicht erst vor wenigen Stunden im Nerwal-Lermontow-Felsen gewesen. Den Felsen selbst gab es nicht mehr. Beim Aufprall des voll beladenen und voll betank-ten Frachters war er völlig zerstört worden, von seinen Geheimnissen war nichts geblieben als eine auseinanderdrif-tende Schuttwolke; ein körniger Hagel, der noch über viele Umläufe gegen die klebrigen Kollisionsschilde der Glitzerband-Habitate prasseln würde. Selbst wenn Panoplia über die nötigen Kapazitäten verfügt hätte, es hätte wenig Sinn gehabt, diese Schuttwolke auf kriminaltechnische Hinweise zu untersuchen. Clepsydra war Dreyfus' einzige Zeugin für das unsägliche Verbrechen an ihren Besatzungsmitgliedern.
    Aber es war nicht Clepsydra, die ihn am meisten beschäftigte.

    Sobald Dreyfus sich durch die Anzugwand des Kreuzers
    geschoben hatte, schnappte er sich Thyssen, den müde aus-sehenden Dockaufseher. »Thalia Ng, mein Unterpräfekt.
    Wann ist sie eingetroffen?«
    Der Mann warf einen Blick auf sein Notepad. Seine Augen waren rot gerändert und glühten wie Feuer. »Sie ist noch draußen, Tom.«
    »Auf dem Heimweg?«
    »Hier steht nichts davon.« Der Mann tippte mit dem Ein-
    gabestift auf eine Textzeile. »Die ZVK hat noch keine Ab-legemeldung von Haus Aubusson. Sieht so aus, als wäre sie noch drin.«
    »Wie lange ist es her, seit sie dort angedockt hat?«
    »Demnach... acht Stunden.«
    Dreyfus wusste, dass Thalia nur ein Zugriffsfenster von sechshundert Sekunden hatte. Auf welche Hindernisse sie auch immer gestoßen sein mochte, sie müsste das Habitat inzwischen verlassen haben.
    »Ist seit Unterpräfekt Sparvers Versuch irgendjemand zu ihr durchgekommen?«
    Der Mann sah ihn hilflos an. »Darüber habe ich keine
    Aufzeichnungen.«
    »Sie ist mit einem von unseren Schiffen unterwegs«,
    fauchte Dreyfus. »Ich finde, es wäre Ihre verdammte Pflicht gewesen, sie angemessen zu überwachen.«
    »Es tut mir leid, Präfekt.«
    »Keine Entschuldigungen«, knurrte Dreyfus. »Tun Sie
    einfach Ihre Arbeit.« Er packte einen Handgriff und zog sich in Richtung Ausgang.
    »Wenn Sie meinen, dass heute ein Scheißtag für Sie ist«, sagte Sparver zu Thyssen, »dann können wir gerne mal tauschen.«
    Die beiden Präfekten und ihr Gast, die Synthetikerin, verließen die Andockstation und wechselten zu einem der
    Räder mit Standardschwerkraft. Dabei machten sie einen

    Umweg über den Klinikbereich und übergaben Clepsydra
    in die Obhut eines der Ärzte, eines verschmitzten Männ-
    chens namens Mercier, bei dem Dreyfus sicher war, dass er keine peinlichen Fragen stellen würde. Mercier gab sich in Aussehen und Verhalten wie ein weltfremder Naturgelehr-ter, der in einem längst vergangenen Jahrhundert bei Kerzenschein über seinen Büchern brütete. Er wirkte stets ma-kellos gepflegt, trug ein weißes Hemd und Krawatte und
    verbarg seine Augen hinter einer grün getönten Halbmond-brille. Für sein Arbeitszimmer hatte er Nachbildungen von lackierten Holzmöbeln und medizinische Instrumente entstehen lassen, die wie aus einem Museum entsprungen
    schienen. Die Wände waren mit grauenerregenden Illustrationen geschmückt. Seine Begeisterung für Schreibarbeiten ging so weit, dass er viele seiner Berichte mit der Hand und einem seltsamen schwarzen Tintenstift verfasste, den er als
    >Füllfederhalter< bezeichnete. Trotz all seiner Marotten war er freilich nicht weniger kompetent als Dr. Demikoff, der nebenan das Schlaflabor leitete.
    »Ich habe hier eine Zeugin«, erklärte Dreyfus. »Sie soll menschenwürdig untersucht, auf Unterernährung und Flüs-sigkeitsmangel behandelt und dann tunlichst in Ruhe gelassen werden. Ich komme in ein paar Stunden wieder.«
    Clepsydra legte den eiförmigen Kahlkopf mit dem

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