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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Mäh-
    nenkamm schief und sah ihn mit schmalen Augen an.
    »Muss ich mich jetzt wieder als Gefangene betrachten?«
    »Nein. Sie sind ein Gast, der unter meinem Schutz steht.
    Wenn die Krise vorüber ist, werde ich alles tun, was in meiner Macht steht, um Sie zu Ihren Leuten zurückzubrin-
    gen.«
    »Ich könnte sie selbst rufen, Sie brauchten mich nur an einen mittelstarken Sender zu lassen.«
    »Einerseits wäre mir das am liebsten. Aber jemand war
    bereit, einen Mord zu begehen, um Ihre Existenz geheim
    zu halten, und Ihre Landsleute hat dieser Jemand tatsächlich auf dem Gewissen. Das heißt, er würde sicherlich auch vor einem weiteren Mord nicht zurückschrecken, wenn er
    wüsste, dass Sie hier sind.«
    »Dann sollte ich verschwinden. Sofort.«
    »Hier sind Sie sicher.«
    »Ich denke, ich kann Ihnen vertrauen«, sagte Clepsydra, so ausschließlich an Dreyfus gewandt, als wäre sonst niemand im Raum. »Aber Sie sollten eines wissen: Einen Synthetiker kostet es große Überwindung, sich in die Hand
    eines Standardmenschen zu begeben. Menschen wie Sie
    haben meinesgleichen früher einmal schreckliche Dinge
    angetan. Viele würden wieder genauso handeln, wenn sich die Gelegenheit dazu böte. Bitte geben Sie mir keinen Anlass, meinen Entschluss zu bereuen.«
    »Versprochen«, sagte Dreyfus.
    Über der Längsachse von Haus Aubusson brach die Däm-
    merung herein. Das über Spiegel durch die Fensterbänder geleitete Sonnenlicht wurde matter, als sich das Glas langsam trübte. Bald würde es auch dann überall dunkel sein, wenn das Habitat auf seinem Orbit Yellowstones Tagseite erreichte.
    Thalia stand in mehr als fünfhundert Metern Höhe auf
    der Aussichtsgalerie in der Kugel des Votenprozessors und sah die Schatten herankriechen wie ein Heer von Katzen
    auf Mäusejagd. Noch konnte sie den hellgrauen Weg sehen, auf dem sie den Park hatten verlassen wollen, um die Endkappe zu erreichen. Aber das Grau wurde zusehends dunk-
    ler, und die Umrisse verschwammen. Bald würden sich
    nicht einmal mehr die schwarzen Ringe der Fensterbänder von ihrer Umgebung abheben. Sie könnte weder den Weg
    noch die Endkappe unterscheiden. Die Flucht durch den
    Park, noch vor wenigen Stunden durchaus Erfolg verspre-
    chend, erschien ihr nun wie ein aussichtsloses Unterfangen. Der Plan wäre schon verfehlt gewesen, wenn sie es nur mit aufgebrachten, panischen Bürgern zu tun gehabt hätten, die nach einem Opfer suchten. Doch inzwischen wusste Thalia, dass es da draußen in der Dämmerung wahrscheinlich nur so wimmelte von gefährlichen Maschinen im
    Dienste eines Programms, dem es ganz sicher nicht darum ging, Menschenleben zu schonen.
    Aber, dachte sie und suchte sich zu fassen, bevor sie sich umdrehte, ihre Schützlinge durften nicht sehen, wie ver-
    ängstigt sie war. Sie war als Vertreter von Panoplias Autorität auf diese Welt gekommen und musste ihre Rolle nun
    weiterspielen. Einmal hatte sie bereits versagt; sogar zweimal, wenn sie den Fehler mit dem Votenprozessor mitrechnete, der die Katastrophe überhaupt erst ausgelöst hatte.
    Sie durfte sie nicht noch einmal enttäuschen.
    »Wie lautet denn nun der nächste Schritt in Ihrem Plan?«, fragte Caillebot mit einem nicht zu überhörenden sarkasti-schen Unterton.
    »Der nächste Schritt lautet: Wir bleiben, wo wir sind«, antwortete sie.
    »Hier oben?«
    »Hier sind wir sicher«, sagte sie und strich im Geiste das
    >vorerst<, das sie beinahe hinzugefügt hätte. »Wir können ebenso gut hier warten wie an jeder anderen Stelle innerhalb des Habitats.«
    »Und worauf warten wir genau?«, fragte Caillebot.
    Sie hatte damit gerechnet, dass der Gärtner zu sticheln anfangen würde, sobald sie die Kugel erreicht hatten. »Auf Panoplia, Bürger. Hilfe ist unterwegs. Bevor Sie einmal zwinkern, wird ein Systemkreuzer angedockt haben.«
    »Ein paar Präfekten werden nicht genügen, um mit die-
    sen Maschinen fertig zu werden.«
    Thalia berührte den summenden Schaft ihrer Hundepeit-
    sche, den sie unangenehm heiß wie eine Metallstange frisch aus dem Hochofen an ihrem Oberschenkel spürte. »Sie
    werden die nötigen Werkzeuge mitbringen, keine Sorge.

    Wir brauchen nur so lange durchzuhalten, bis sie hier sind.
    Das ist unsere einzige Aufgabe.«
    »Durchhalten«, wiederholte Paula Thory spöttisch. Die
    mollige Frau saß auf einer der Bänke aus träger Materie vor der perlgrauen Säule des Votenprozessors. »Das klingt so einfach wie das Warten auf einen Zug.«
    Thalia trat zu ihr und kniete

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