Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
übrige Besatzung auf dem Flugdeck. »Bitte alle herhören! Wir verlegen den Schlachtplan nach vorne. Ich möchte, dass diese Geschütze früher feuern, solange wir noch Spielraum bei der Entfernung haben. Sie haben meine Erlaubnis, in sechzig Sekunden mit dem Absetzen der Raketen zu beginnen.«
    Der Pilot öffnete den Mund, wie um einen Einwand vor-
    zubringen.
    Crissel fragte nicht unfreundlich: »Gibt es dagegen etwas zu sagen?«
    »Es ist eine Planänderung, Sir.«
    »Nichts ist in Stein gemeißelt. Wir stellen uns lediglich auf den verbesserten Informationsstand ein.«
    »Es könnte sein, dass wir nicht alle Geschütze abschie-
    ßen.«
    »Das ist auch nicht auszuschließen, wenn wir näher dran sind. Wir führen Krieg, Pilot. Damit ist immer ein gewisses Risiko verbunden. Bitte seien Sie so freundlich, den geänderten Befehl zum passenden Zeitpunkt auszuführen.«
    Er bemerkte, wie die Besatzungsmitglieder zögerten und
    sich ansahen. Für einen Augenblick stand Meuterei im
    Raum, dann löste sich die Spannung.
    »Abschusslösungen beständig«, murmelte der Pilot. »Ra-
    keten in fünfunddreißig Sekunden absetzen.«
    Crissel kehrte in den Versammlungsbereich zurück und
    begab sich auf die ihm zugewiesene Position. Im letz-
    ten Moment ließ er seinen Helm einrasten. Die luftdichte Verriegelung schloss sich genau in der Sekunde, als eine Reihe von dumpfen Schlägen ankündigte, dass die Raketen von der Schnellfeuerautomatik abgeschossen wurden. Bis
    dahin hätte von außen betrachtet nichts darauf hingewiesen, dass die Universales Stimmrecht ihre Krallen zeigen wollte.
    Crissel hatte seinem Helm befohlen, über den normalen
    Blick auf die wartenden Präfekten ein von den eigenen Kameras, Sensoren und Kampfsteuerungssystemen des Kreu-
    zers zusammengesetztes Bild der Situation draußen zu
    legen. Er sah die Rückseite des Aubusson-Zylinders, eine stark gegliederte graue Scheibe. Die Raketen waren unsichtbar bis auf die blauweißen Striche ihrer Fusionsabgase, die in verschiedenen Winkeln auf unterschiedliche Ziele zurasten. Zu jeder Rakete gehörte ein grüner Statuskas-ten voll übereinanderpurzelnder Zahlen, mit denen Crissel nichts anzufangen wusste. Die errechneten Einschlagpunkte waren auf der grauen Scheibe rot markiert. Fadenkreuze, schwarze Zielkerben und Vektoren glitten, jeweils mit
    einem eigenen Gefolge aus rätselhaften Ziffern und Symbolen, in einem Tanz von hypnotischer Komplexität über das Sichtfeld.
    »Status bitte«, verlangte Crissel.
    »Raketeneinschlag in zehn Sekunden«, brummte die
    Stimme des Piloten. »Leite Bremsphase ein.«
    Kokons aus Aktivmaterie umhüllten die Präfekten ein-
    schließlich Crissels, dann schlug die Bremsverzögerung mit brutaler Wucht zu. Seit die Universales Stimmrecht ihre Raketen abgesetzt hatte und ihren Abgasstrahl auf Haus Aubusson richtete, bot sie ein unübersehbares Ziel. Auf dem taktischen Display war zu beobachten, wie nun die Projektilwerfer der Kollisionsabwehrsysteme Feuer spuckten. Der Kreuzer verfolgte die Flugbahnen der Projektile und berechnete und flog Ausweichmanöver mit hohem Schub, so
    dass die Geschosse vorbeirasten, ohne Schaden anzurich-
    ten. Crissel biss die Zähne zusammen, als die Schwerkraft stärker wurde. Sein Sessel veränderte ständig die Stellung, um eine optimale Blutversorgung des Gehirns zu gewährleisten, dennoch gerieten seine Denkprozesse immer wie-

    der ins Stocken. Die Striche der Raketenabgase waren in-dessen zu blauweißen Fünkchen geschrumpft, die vor
    Aubussons riesigem Antlitz fast verschwanden. Die zehn
    Sekunden seit der letzten Meldung des Piloten kamen ihm vor wie endlose Stunden.
    Die ersten Raketen erreichten ihr Ziel. Crissel brauchte die laktischen Informationen nicht, er sah auch so, dass die Raketen im Habitat einschlugen. Im letzten Moment löschten sie ihr Fusionsfeuer, um beim Aufprall keine thermo-nukleare Explosion auszulösen. Die kinetische Energie allein genügte, um sichtbare Schäden anzurichten. Grauweiße Trümmerkugeln mit orangeroten Feuerkernen schwollen
    traumhaft langsam an. Nachdem sie sich im All verteilt
    halten, blieben genau halbkugelförmige Krater zurück, die mehrere zehn Meter tief in Aubussons Kruste hineinreich-ten. Das musste man auch im Innern gespürt haben, dachte Crissel. Nicht nur den Donner der Einschläge, so laut der auch gewesen sein mochte, sondern die erdbebenähnliche
    Druckwelle, mit der sich die Energie über das sechzig Kilometer lange Habitat verteilte. Was

Weitere Kostenlose Bücher