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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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strengeren Freiwilligen Tyranneien - konnte es entgehen, wenn bandweit die Datendienste ausfielen. Dann flöge allen die kalte, harte Realität um die Ohren, ob sie ihnen gefiel oder nicht.
    Bald würden im Glitzerband die Lichter ausgehen. Es gab keine andere Wahl. Es musste sein.
    »Bevor Sie den Stecker rausziehen«, sagte Dreyfus, »habe ich eine Bitte. Versichern Sie den Menschen, dass Panoplia sie nicht aufgegeben hat. Sagen Sie ihnen, wir werden hinausgehen und kämpfen, und wir werden sie nicht enttäu-
    schen. Sie sollen das nicht vergessen.«
    »Das werde ich tun«, versprach sie.

    Thalias Hände zitterten so, dass ihr beim Ansägen der letzten Stützstrebe in der Kugel des Votenprozessors fast die Hundepeitsche aus der Hand gefallen wäre. Die Arbeit war quälend langsam vonstatten gegangen, und das nicht nur, weil die Peitsche inzwischen so heiß war, dass man sie nicht länger als eine Minute ohne Unterbrechung halten konnte, selbst wenn man sich ein Tuch um die Hand wickelte. Die Schwertfunktion war nicht mehr stabil, gelegentlich verlor die Schnur ihre piezoelektrisch erzeugte Steifheit und der Schneidemechanismus etwas von seiner Schärfe. Die Hundepeitsche war durch Granit geglitten wie ein Laser durch Luft, während sie jetzt gegen Ende alle Muskeln anspannen musste, damit sich die Schnur auch weiter durch die Streben fraß. Die neunte war die schlimmste gewesen; sie hatte fast eine halbe Stunde gebraucht, um sie so weit anzu-schneiden, dass sie brechen würde, wenn die Peitsche im Granatenmodus explodierte.
    »Genügt das?«, flüsterte sie, obwohl das Surren und Knis-tern der Hundepeitsche so laut war, dass das Flüstern sinnlos erschien.
    »Hoffentlich«, sagte Parnasse. »Ich glaube nicht, dass Sie mit diesem Ding noch sehr viel anfangen können.«
    Thalia fuhr die Schnur ein. »Nein, wohl kaum.«
    »Wir sollten Sandra Voi danken, dass das Gerät überhaupt so lange durchgehalten hat. Jetzt braucht es uns nur noch einen Dienst zu leisten.«

    »Zwei«, verbesserte Thalia. Schließlich wollte sie ja auch noch den Votenprozessor sabotieren. »Aber zeigen Sie mir schon einmal, wo wir die Peitsche deponieren müssen.«
    »Irgendwo hier in der Nähe. Ein Zentimeter hin oder her wird nicht über Leben und Tod entscheiden.«
    Thalia legte die eingewickelte Hundepeitsche unter eine der angesägten Streben. »Zum Beispiel hier?«
    »Sollte genügen, junge Frau.«
    »Gut. Ich denke, die Stelle finde ich wieder, wenn ich das nächste Mal herunterkomme.«
    »Wie stellt man das Gerät überhaupt auf Granatenmodus
    um?«
    Thalia schob das Tuch um den Schaft beiseite, bis die
    Drehscheiben freilagen. »Diese Scheibe dreht man, um
    die Sprengkraft einzustellen. Ich gehe natürlich auf Maximum. Damit bekommen wir etwa null Komma eins bis null
    Komma zwei Kilotonnen, je nachdem, wie viel Energie noch in der Blase ist.«
    »Und der Zeitschalter?«
    »Diese beiden Scheiben hier gemeinsam.«
    »Wie viel Spielraum gibt sie einem denn?«
    »Genug«, sagte Thalia.
    Parnasse nickte stumm. Sie hatten hier unten getan, was sie konnten. Es wäre zwar möglich gewesen, noch eine oder zwei weitere Streben anzusägen, aber Thalia bezweifelte, dass sie die Zeit dafür hätten. Schon meldeten die Barrikadenteams, dass der Lärm der Servomaten immer lauter
    wurde, ein Hinweis darauf, dass die Maschinen nur noch
    wenige Meter von einem Durchbruch entfernt waren. Tha-
    lia hatte sie beim Schneiden gehört. Sie waren bereits über die Turmspitze hinaus in die eigentliche Kugel vorgedrungen. Wahrscheinlich bleibt uns nicht einmal mehr eine Stunde , dachte sie. Selbst dreißig Minuten wären schon gewagt. Und dabei berücksichtigte sie noch nicht einmal die Kriegsroboter, von denen sie annahm, dass sie entweder

    außen am Turm oder innen durch den Fahrstuhlschacht
    emporklettern wollten.
    Thalia und Parnasse stiegen durch den Wald von Stützen
    nach oben bis zur Falltür im untersten unbewohnbaren Abschnitt der Kugel. Eine Minute später hatten sie das Stockwerk mit dem Votenprozessor erreicht. Die meisten An-
    gehörigen der Gruppe waren jetzt wach und nervös. Sie
    wussten noch nichts von Thalias Plan, ahnten aber, dass etwas im Gange war.
    Viele Fragen brannten ihnen auf der Zunge, aber bevor
    Thalia mit ihnen sprach, trat sie ans nächste Fenster und schaute hinab zum Fuß des Turms. Wie ein Messer fuhr ihr die Angst in den Magen, als sie feststellte, dass die Dichte der Militär-Servomaten jetzt viel geringer war als zuvor.

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