Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
Das konnte nur bedeuten, dass sie schon dabei waren, den Turm zu besteigen, und sich gezielt und unausweichlich zum
    Stockwerk des Votenprozessors hocharbeiteten.
    »Rufen Sie den Arbeitstrupp zurück«, befahl sie Caillebot.
    »Sie sollen alles fallen lassen und hier heraufkommen.«
    »Warum?«, fragte er. »Was ist mit der Barrikade? Jemand muss sie doch bewachen.«
    »Das hat sich erledigt. Sie hat uns gute Dienste geleistet, aber jetzt brauchen wir sie nicht mehr.«
    »Aber die Maschinen kommen näher.«
    »Ich weiß. Deswegen ist es höchste Zeit, dass wir von hier verschwinden. Holen Sie den Trupp, Jules. Wir haben keine Zeit für Diskussionen.«
    Er stand wie erstarrt und schien einen Einwand vorbrin-
    gen zu wollen, doch dann wandte er sich ab und lief die wenigen Stufen zum nächsten Stockwerk hinunter, wo das
    gerade arbeitende Barrikadenteam noch immer nach Kräf-
    ten das Hindernis verstärkte.
    »Was kommt jetzt?«, fragte Paula Thory und erhob sich
    von dem Kleiderstapel, aus dem sie sich so etwas wie ein Bett gemacht hatte.

    »Wir verschwinden von hier«, wiederholte Thalia.
    »Wie denn? Sie erwarten doch nicht, dass wir die Trep-
    pen hinuntersteigen? Sollen wir uns etwa an den Maschi-
    nen vorbeikämpfen?«
    »Wir werden überhaupt nicht kämpfen. Wenn alles gut
    geht, brauchen wir uns mit keinem einzigen Servomaten
    anzulegen. Ehe Sie sich versehen, haben Sie Haus Aubus-
    son verlassen und warten draußen im All auf Rettung.«
    »Was meinen Sie mit draußen im All? Keiner von uns hat einen Raumanzug. Wir haben kein Schiff. Wir haben nicht einmal eine Rettungskapsel!«
    »Wozu brauchen wir eine Rettungskapsel?«, fragte Thalia langsam und deutlich. »Wir sitzen doch in einer.«
    Dreyfus bemerkte, dass Aumonier die Hände zu Fäusten
    ballte und wieder öffnete und ihre Brust sich deutlich hob und senkte. »Ich dachte, Sie hätten gern ein wenig Gesellschaft«, sagte er. »Leibhaftige Gesellschaft, meine ich.«
    »Danke, Tom. Ja, Sie haben recht. Ich bin sehr froh da-
    rüber.« Sie zögerte. »Ich habe übrigens soeben diese Er-klärung herausgegeben - einschließlich Ihrer Anmerkun-
    gen.«
    »Die Menschen brauchen eine Rückversicherung.«
    »Richtig. Sie hatten recht.«
    »Sitzen wir schon im Dunkeln?«
    »Nein - ich warte noch mit dem Abschalten der Netz-
    werkdienste, bis wir mit der Spindel fertig sind. Die Bürger sollen wissen, dass wir es mit einem schweren Gegner zu tun haben, dass wir aber alles in unserer Macht Stehende tun, um so viele wie möglich zu retten.«
    »Werden sie nicht zu Tode erschrecken, wenn sie sehen,
    wie wir die Spindel mit Atomraketen hochjagen?«
    »Sehr wahrscheinlich. Aber wenn sie daraufhin anfan-
    gen, auf die Gendarmen zu hören, ist mir der Preis nicht zu hoch.«

    Dreyfus sah auf den größten Schirm. »Wie lange noch?«
    »Drei Minuten.«
    Drei Minuten, bis der Käferstrom die Toriyuma-Murchison-Spindel erreicht, dachte er. Panoplias Schiffe hatten ihr Möglichstes getan, um den Strom zu reduzieren oder abzu-lenken, aber ihre Bemühungen hatten kaum Wirkung ge-
    zeigt. Jetzt blieben sie nur noch für den Fall auf Position, dass es Überlebende gab, nachdem die Demokratiezirkus ihre Arbeit getan hatte.
    Der Systemkreuzer schwebte hinter der Spindel, zwei Ra-
    keten waren scharfgemacht und hatten das Ziel erfasst. Ihre Sprengkraft war so hoch eingestellt, dass sie die bislang noch inaktive Maschinerie der Produktionsanlage zerstören konnte. Panoplia hatte immer einen Notfallplan für die Zerstörung eines Habitats parat, und die Besatzung hatte das Szenarium in der Ausbildung oft genug durchgespielt. Der Ablauf von der Befehlsausgabe bis zum Abschießen der
    Raketen war angeblich fehlersicher. Nicht nur der Generalpräfekt musste die Prozedur genehmigen, auch die Zustimmung einer Mehrheit der Oberpräfekten war erforderlich.
    Es gab sogar Bestimmungen für den Fall, dass durch Tod
    oder Verletzung ein plötzlicher Wechsel an der Spitze erforderlich wurde, so dass der Befehl auch bei einem direkten Angriff auf Panoplia gegeben werden konnte.
    Und doch, dachte Dreyfus, wären die Besatzungsmit-
    glieder keine Menschen gewesen, wenn sie die Möglichkeit eines Irrtums oder einer böswilligen Handlung nicht wenigstens in Betracht gezogen hätten. Was man von ihnen
    verlangte, widersprach nun wirklich allem, wofür Panoplia stand. Als streckte ein Chirurg die Hand nach einem Skalpell aus und bekäme stattdessen eine Pistole gereicht.
    Aber sie würden gehorchen,

Weitere Kostenlose Bücher