Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
Schiff«, sagte Dreyfus.
    Auch vom Ende der Andockröhre schoss immer noch
    Luft ins All. Doch jetzt wurden durch die Kraft der Dekompression auch Menschen mitgerissen. Die Welle begann am hinteren Ende und raste durch die Röhre auf die Kamera zu.
    Dreyfus sah entsetzt, wie die Umstehenden begriffen, was ihnen da entgegenkam. Er sah sie schreien und nach einem Halt suchen. Dann war die Welle da, und sie waren einfach weg, wie von einem unsichtbaren Kolben durch eine Injek-tionsspritze gejagt.
    Sie stürzten zu Hunderten ins All: Zivilisten, Gendarmen, Maschinen, Kleidungsstücke, Habseligkeiten und Spielzeug.
    Er sah die menschenförmigen Schemen um sich schlagen
    und sterben.
    Das Kamerabild erlosch.
    Eine zweite Kamera zeigte die Bellatrix beim Wenden und lieferte einen Blick auf die weißen Flanken. Der Strom aus der offenen Luftschleuse hatte aufgehört. Offenbar hatten sich die Innentüren geschlossen.
    »Sie nimmt Fahrt auf«, sagte Dreyfus. Die vier Triebwerke öffneten sich weit und spien rosarote Feuerzungen aus. Zu-nächst schien sich das riesige Schiff kaum zu bewegen.
    Doch allmählich wurde die langsame, aber stetige Beschleunigung erkennbar. Die Bellatrix entfernte sich vom Habitat.
    Da sie von der vorderen Andockstation abgelegt hatte, be-fände sich die gesamte Masse des Habitats zwischen ihr
    und der Fusionsexplosion, wenn die Raketen einschlugen.
    Wieder hob Aumonier ihr Armband an den Mund. »Ver-
    bindung zur Demokratiezirkus«, sagte sie und sprach sofort weiter, ohne Atem zu holen. »Captain Pell: Lassen Sie die Bellatrix zehn Kilometer Abstand gewinnen. Dann können Sie das Feuer auf den Heckkomplex des Habitats eröffnen.«
    Die Bellatrix behielt einen Schub von einer halben Ge bei und hatte damit schon nach sechzig Sekunden die an-gegebene Sicherheitsdistanz erreicht. Inzwischen befanden sich alle umliegenden Habitate - wenn sie nicht bereits von Aurora erobert worden waren - in höchster Alarmbereitschaft und warteten nicht nur auf den elektromagnetischen Impuls, sondern auch auf die Schutteinschläge, die bei
    jedem Nuklearangriff zu erwarten waren. Für Dreyfus dehnten sich die Sekunden, die Zeit schien stillzustehen. Er wusste, dass Aumonier dem Schiff gern mehr Raum gegeben hätte, aber sie musste auch bedenken, dass Käfer entkommen und neuen Schaden anrichten könnten, wenn
    sie zu lange wartete. Die Flüchtlinge an Bord der Bellatrix konnten nur hoffen, dass die Abschirmung zu den Triebwerken hin sie vor den schlimmsten Folgen der Explosion schützen würde.
    Aus ihrem Armband ertönte ein dünnes Stimmchen.
    »Hier Pell, Generalpräfekt. Die Bellatrix hat den Sicherheits-abstand erreicht.«

    »Sie haben die Genehmigung zum Feuern erhalten, Cap-
    tain.«
    »Ich wollte mich nur vergewissern, dass sich nichts geändert hat.«
    »Es hat sich nichts geändert. Tun Sie Ihre Pflicht, Captain Pell.«
    »Raketen gestartet, Generalpräfekt.«
    Die Kamera schaltete um und zeigte nun die Toriyuma-
    Murchison-Spindel in der Totalen. Durch den Kamerawin-
    kel verkürzte sich die Perspektive, so dass es fast aussah, als wäre die Bellatrix noch angedockt.
    Die Raketen rasten, zwei helle Abgasstreifen hinter sich herziehend, durchs All, als hätten sie den Himmel aufgerissen und sein strahlend reines Licht zum Vorschein gebracht.
    Dann detonierten sie.
    Die Atomexplosion - beide Einschläge erfolgten so dicht hintereinander, dass sie nicht zu trennen waren - ließ
    das Kamerabild weiß aufleuchten. Man hatte nicht das Ge-fühl, als hätte sich der Feuerball vergrößert; er war einfach da und verschlang alles in einem einzigen vernichtenden Blitz.
    Dabei herrschte Totenstille.
    Alle Displays in Janes Bürosphäre flackerten, als der elektromagnetische Impuls durch das Glitzerband raste.
    Dann wurde das weiße Bild matter und durchlief zuneh-
    mend dunklere Rottöne, bis die Schwärze des Hintergrunds wieder erreicht war. Davor trieb ein verstümmeltes, zer-schmolzenes Gebilde, das einmal ein Habitat gewesen war, aber jetzt eher den schwarzen, zerfetzten Überresten eines abgebrannten Feuerwerkskörpers glich. Die Raketen hatten die Produktionsanlage zerstört, aber dabei mindestens ein Drittel der Habitat-Länge weggesprengt und den restlichen Teil entlang struktureller Schwachstellen aufgerissen. Die Luft im Innern hatte wohl keine Zeit gehabt, durch diese Risse zu entweichen, bevor sie glühend heiß wurde. Auch zum Ersticken wäre keine Zeit gewesen. Aber die Menschen hatten das Feuer auf sich

Weitere Kostenlose Bücher