Aurora
Aurora hatte alle Eventualitäten berücksichtigt. Sie hätte immer einen Weg gefunden, auch wenn Sie noch so viele Vorsichtsmaßnahmen getroffen hätten. Vielleicht hätte es länger gedauert, aber es wäre in jedem Fall geschehen. Quälen Sie sich nicht mit Selbstvorwürfen, Unterpräfekt.« Dreyfus streckte die Hand aus und winkte sie näher heran. Sie gehorchte, ihre Anzüge berührten sich. Dreyfus fasste sie an einem Arm, Sparver am anderen. »Ich bin froh, dass Sie in einem Stück zurückgekommen sind«, sagte er.
»Ich wünschte, ich hätte etwas für all die anderen tun
können.«
»Sie haben einige gerettet. Und Sie haben uns die Nach-
richt gebracht, dass Aurora nicht die Absicht hatte, nach ihrer Machtübernahme irgendjemanden am Leben zu lassen. Sie
haben sich bewährt, Thalia. Ich bin nicht unzufrieden.«
»Das war ein Lob«, sagte Sparver. »An Ihrer Stelle würde ich es annehmen.«
»Was ist mit Gaffney, Sir?«
»Gaffney ist nicht mehr«, antwortete Dreyfus.
»Und der Rest von Brandfackel? Der Uhrmacher?«
»Sie sind umfassend informiert, wie ich sehe. Hätten Sie sich nicht lieber ausruhen sollen?«
»Sir?«
»Veitch und Saavedra sind tot. Der Uhrmacher ist ent-
kommen.«
Thalia nickte hinter ihrem Visier. »Das hatten wir uns
schon gedacht, Sir.«
»Wieso?«
»Es tut sich etwas. Bisher konnten wir nur vermuten,
dass es irgendwie mit dem Uhrmacher zusammenhinge,
dass Sie ihn überredet hätten, gegen Aurora vorzuge-
hen.«
»Von Überredung würde ich nicht unbedingt sprechen.«
Dennoch fasste Dreyfus nach dieser Information neuen
Mut. »Und was ist im Gang, Thalia?«
»Wir wissen es nicht genau. Die gute Nachricht lautet,
dass sich die Ultras an der Evakuierung beteiligen und uns auch bei der Zerstörung verseuchter Habitate unterstützen.
Im Lauf der letzten Nacht konnten wir sechs weitere Habitate entlang von Auroras Expansionsfront räumen und die Menschen ausfliegen.«
»Totalevakuierung?«, hakte Dreyfus nach.
»Nein, Sir«, gestand sie zögernd. »Einige mussten wir an Bord zurücklassen. Aber es waren sehr viel weniger als in früheren Fällen.«
»Wir dürfen wohl keine Wunder erwarten.«
»Sir, da ist noch etwas. Vor zwei Stunden erreichten die Käferströme zwei Habitate, bevor wir mit Atomwaffen oder Lichtschiffen zur Stelle waren. Wir konnten die meisten Bürger herausholen, aber die Gendarmen waren noch mit
der Evakuierung beschäftigt, als die Käfer den Rumpf durchbrachen.«
»Weiter«, drängte er.
»Anfangs trafen die Gendarmen erwartungsgemäß auf
Widerstand, als sie versuchten, die Käfer auf dem Weg zum Votenprozessor aufzuhalten. Sie gaben ihr Bestes, aber sie erlitten schwere Verluste. Doch plötzlich verhielten sich die Käfer ganz sonderbar. Sie bewegten sich unkoordiniert,
ziellos und stellten den Vormarsch ein. Die überlebenden Gendarmen konnten schwere Geschütze in Stellung bringen und ihrerseits die Käfer stark dezimieren.«
»Aber selbst wenn es an der Angriffsfront zu einer lokal begrenzten Störung kam, waren doch noch Millionen von
weiteren Robotern unterwegs.«
Thalia schüttelte heftig den Kopf. »Das war keine lokal begrenzte Störung, Sir. Inzwischen fängt es überall an, wo Käfer unterwegs sind. Sie sind wie alle Servomaten bis zu einem gewissen Grad auf Autonomie programmiert, aber
die Instanz, die sie steuerte, scheint nicht mehr da oder zumindest abgelenkt zu sein.«
»Als wäre Aurora mit anderen Dingen beschäftigt?«
»Genauso sieht es aus. Und deshalb vermuteten wir, Sie
hätten beim Uhrmacher etwas erreicht.«
»Er hat den Kampf bereits eröffnet.« Dreyfus staunte
wie beim Anblick eines überwältigenden Naturschauspiels.
»Er wusste, dass ihm wenig Zeit blieb. Gaffney war zwar gescheitert, aber Aurora hätte bald einen anderen Weg gefunden, um den Stützpunkt hier zu zerstören. Er musste fort.«
»Und wir sollten uns auch auf den Weg machen«, be-
merkte Thalia. »Es sei denn, Sie wollen noch eine Weile die Landschaft bewundern.«
»Von der Landschaft habe ich genug gesehen«, erklärte
Dreyfus. »Planeten sind eigentlich nicht mein Fall.«
»Mir geht es genauso, Sir.«
»Thalia«, sagte er freundlich. »Ich habe Ihnen noch etwas mitzuteilen. Es geht um Ihren Vater.«
»Sir?«, fragte sie misstrauisch.
»Es ist eine gute Nachricht«, beschwichtigte Dreyfus.
Als Dreyfus nach Panoplia zurückkehrte, suchte er sofort den Taktikraum auf, noch bevor Mercier seine Verletzungen versorgt hatte.
Weitere Kostenlose Bücher