Aurora
so starken Scannern, dass sie noch aus mehr als sieben Metern Entfernung Nerven- und Gefäßstrukturen auflösen konnten, aus jedem erdenklichen Blickwinkel abgebildet worden. Die Metallsonden, die der Skarabäus
in ihre Wirbelsäule geschoben hatte, waren in vielfältigen Querschnitten von unterschiedlicher Tiefe dargestellt. Der in ihren Hals gekrallte Körper des Parasiten war mit ebenso vielen Analyseverfahren untersucht worden. Seine innere Struktur war in geisterhaften pastellfarbenen Overlays zu betrachten.
Dreyfus drückte auf einige Knöpfe, und ganze Bildserien erwachten zum Leben. Es waren Simulationen geplanter
Rettungsversuche, die alle als untauglich verworfen worden waren. Er hatte gehört, dass der Skarabäus nach zuverlässigen Schätzungen knapp sechs Zehntel einer Sekunde
brauchte, um Aumonier zu töten, folglich bestand Hoff-
nung, sie zu retten, wenn es gelang, in weniger als einer halben Sekunde eine entsprechende Maschine an Ort und
Stelle zu bringen und den Parasiten zu entschärfen. Aber derjenige, der entscheiden musste, wann der Eingriff erfolgen sollte, war nicht zu beneiden. Es würde nicht Aumonier sein: Sie hatte diese Verantwortung schon lange abgegeben.
Dreyfus blieb neben einer der Werkbänke stehen und
nahm ein Modell des Skarabäus aus rauchgrauem durch-
scheinendem Plastik in die Hand. Solche Modelle lagen
zu Dutzenden mehr oder weniger zerlegt auf den Bänken.
Im inneren Aufbau gab es Unterschiede, je nachdem, wie
man die Scans interpretiert hatte. Ganze Rettungsszenarien waren abhängig von minimalen Differenzen in den Ana-lyseergebnissen. Demikoffs Truppe bestand aus mehreren
festen Teams, die an völlig gegensätzlichen Plänen arbeiteten. Mehr als einmal hätte man sich um die richtige Vorgehensweise fast geprügelt. Dreyfus fühlte sich an Mönche und ihre Dispute über die Auslegung der Heiligen Schrift erinnert. Nur Demikoffs beruhigende Art verhinderte, dass das ganze Projekt in Zank und Streit zerfiel. So ging das nun schon seit elf Jahren, und noch immer war kein Erfolg sichtbar.
Demikoff war an der Arbeit. Er stand tief über eine Werk-bank gebeugt und debattierte leise mit drei Angehörigen seines Teams. Die Arbeitsfläche war übersät mit Werkzeugen und Skarabäusteilen. Dazwischen stand das anatomi-
sche Modell eines Schädels - aus einzeln abnehmbaren
Glaselementen - mit geöffnetem Hals und freiliegender
Wirbelsäule. Empfindliche Bereiche waren mit Leuchtmar-
kierungen gekennzeichnet.
Demikoff hatte Dreyfus wohl kommen hören. Er zog sich
die Spezialbrille vom Kopf und strich sich mit den Fingern das strähnige Haar zurück. Das matte rote Licht des Schlaflabors war wenig vorteilhaft für seine schlaffen Züge und das vorspringende Kinn. Dreyfus kannte kaum jemanden,
der älter aussah.
»Tom«, sagte Demikoff und lächelte müde. »Wie schön,
dass Sie mal vorbeischauen.«
Dreyfus lächelte zurück. »Haben Sie etwas Neues für
mich?«
»Keine neue Strategie, aber bei Plan Tango konnten wir
noch zwei Hundertstel Sekunden abknapsen.«
»Sehr gut.«
»Aber nicht gut genug, um loszulegen.«
»Sie kommen der Sache näher.«
»Langsam. Viel zu langsam.«
»Jane ist geduldig. Sie weiß, wie angestrengt Sie arbeiten.«
Demikoff sah Dreyfus tief in die Augen, als suchte er nach einem versteckten Hinweis. »Sie haben noch vor kurzem
mit ihr gesprochen. Wie geht es ihr? Wie hält sie sich?«
Besser, als man erwarten kann.
»Hat sie...?«
»Ja«, sagte Dreyfus. »Sie hat mir die Neuigkeit erzählt.«
Demikoff griff nach einem Skarabäusmodell und zog das
wächserne graue Gehäuse ab. Die Teile darunter glühten
blau und violett, Steuerschaltkreise, Stromleitungen und Prozessoren leuchteten heller. Mit einem weißen Eingabestift deutete er auf eine Stelle, wo violette Linien einen ver-schlungenen Knoten bildeten. »Hier hat sich etwas verändert. Vor einer Woche liefen in diesem Knoten nur drei
Linien zusammen. Jetzt sind es fünf.« Er bewegte den Stift nach rechts. »Und dieser Mechanismus hat sich um zwei
Zentimeter verschoben. Es geschah ganz plötzlich. Wir wissen in beiden Fällen nicht, wie wir die Veränderung einschätzen sollen.«
Dreyfus warf einen Blick auf die anderen Labortechniker.
Er ging davon aus, dass sie umfassend informiert waren, sonst hätte Demikoff nicht so offen gesprochen. »Er trifft irgendwelche Vorbereitungen«, sagte er.
»Das befürchte ich.«
»Warum gerade jetzt, nach elf
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