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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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fuhr Dreyfus mit der Hand über die Schalttafel.
    »Ich glaube nicht. Außer dem Schiff selbst sieht nichts in diesem Felsen nach Synthetikertechnik aus. Es kommt mir eher so vor, als würde das Schiff von jemand anderem hier gefangen gehalten.«
    »Und diesem Jemand soll es gelungen sein, ein Syntheti-
    ker-Schiff zu kapern und einzusperren? Das wäre wirklich eine beachtliche Leistung.«
    »Ganz Ihrer Meinung«, sagte Dreyfus.
    »Nächste Frage: Warum sollte dieser Jemand das tun?
    Was könnte er damit erreichen?«
    Dreyfus betrachtete die Platte aus blankem Silber und erkannte, dass es sich nicht um eine undurchsichtige Scheibe in der Fensterreihe, sondern um eine verschlossene Tür
    handelte. Im Lichtschein sah er die gerippte Röhre eines Andocktunnels, der von dieser Platte zu dem tiefschwarzen Schiffsrumpf führte.
    »Um das herauszufinden, werde ich an Bord gehen müs-
    sen.«
    »Das halte ich für keine gute Idee, Boss.«
    Dreyfus wandte sich wieder der Schalttafel zu. Jeder Nerv seines Körpers schrie nach Flucht, aber der Polizist in ihm musste wissen, was sich in diesem Schiff befand; was für ein Geheimnis man sogar um den Preis eines Mordes zu
    schützen suchte.
    Seine Hand legte sich auf einen anderen Schalter. Er trug die Markierung {X} - im gesamten Universum das Symbol
    für die Bedienung einer Luftschleuse. Die Silberplatte glitt lautlos beiseite. Der Tunnel spürte, dass jemand eintreten wollte, über die ganze Länge flammten Lichter auf. Das goldene Band wölbte sich nach unten, bis es in einer Andockluke an der Seite des Lichtschiffes verschwand.
    Jetzt hinderte ihn nichts mehr, der Weg war frei.
    »Ich gehe hinein. Rufen Sie mich, sobald sie Panoplia erreichen.«
    Während sich Thalia und ihre Begleiter von Haus Aubusson unterhalten hatten, waren sie über ein weiteres Fensterband hinweggefahren und hatten kurz ein Weltraummeer mit
    Sternen gesehen (von denen die meisten in Wirklichkeit andere Habitate waren). Jetzt wurde der Zug langsamer und näherte sich seinem Ziel. Sie schwebten auf einer filigranen Brücke hoch über eine Reihe von gepflegten Rasenflächen und sanken dann wieder auf Bodenniveau hinab. Zu beiden Seiten sah Thalia die spitz zulaufenden Türme des Museums der Cybernetik. Jeder Turm ragte mindestens hun-
    dert Meter in die Höhe und wurde von einer glatten, blaugrauen Kugel gekrönt. Die Kugeln trugen Symbole aus der geheiligten Geschichte der Informationsverarbeitung. Thalia erkannte das kaufmännische Und-Zeichen, das einst für eine primitive Form der Abstraktion gestanden hatte, das ständig sich drehende Stundenglas, immer noch das uni-verselle Symbol für einen aktiven Rechenprozess, und den angebissenen Apfel, der (so hatte man ihr einmal fälschlich erklärt) daran erinnern sollte, dass sich der Informations-theoretiker Turing mit Gift das Leben genommen hatte.
    Der Zug fuhr in einen Tunnel ein und kam auf einem Ron-
    dell unter dem Mittelturm mit dem Votenprozessor langsam zum Stehen. Zu beiden Seiten standen andere Züge, und
    Fahrgäste stiegen ein oder aus, aber für Thalia und ihre Gruppe war mit Servomaten und Glasbarrieren ein eigener Bereich abgetrennt worden. Sie fuhren mit Fahrstühlen in diesiges Tageslicht, vorbei an den Ziergärten und Felsteichen, die sich um den Fuß des Hauptturms drängten. Nicht weit von ihnen war ein leuchtend blauer Servomat eifrig beschäftigt, eine Hecke zur Form eines Pfauen zu stutzen, seine Schneidearme fuhren, gesteuert von der dreidimensionalen Vorlage in seinem Prozessor, blitzschnell durch die Äste.
    Thalia legte den Kopf in den Nacken, um den Turm in
    seiner Gesamtheit zu betrachten. Er wuchs, nur allmählich schmäler werdend, aus einem Sockel fünf- bis sechshundert Meter weit in die Höhe, bevor er sich zu einem dünnen Stängel verjüngte, der kaum fähig schien, die riesige Kugel zu tragen. Diese Kugel war viel größer als die anderen auf den kleineren Türmen und hatte mehrere Reihen mit kleinen runden Fenstern, wo jene völlig glatt waren. Geometrische Formen spielten unentwegt über die Oberfläche. Vermutlich, dachte Thalia, sollten sie die ständig wechselnden Parameter des Abstraktionsflusses und der Abstimmungsmuster symbolisieren.
    Thalia und ihre Gruppe betraten die schattige Halle im
    Innern des Turms. Das Gebäude war innen hohl, die ein-
    wärts geneigten Wände waren mit riesigen Gemälden be-
    deckt, die jeweils einen großen Visionär der prä-calvinistischen Cybernetikepoche darstellten. In der

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