Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
wird nicht lange dauern. Wenn der Ausfall der Abstraktion so flächendeckend ist, wie es den Anschein hat, dann heißt das, dass ein ganzes Habitat einfach vom Netz verschwunden ist. Und nicht etwa irgend-
    eine Einsiedlerkolonie, sondern Haus Aubusson. Sie haben mir schon erzählt, dass die Lobbyisten nahezu ununterbrochen mit Ihnen in Kontakt stehen. Wie lange wird es da
    wohl dauern, bis man Sie vermisst? Doch allenfalls ein paar Minuten. Weitere Minuten können vergehen, bis jemand
    auf Ihre Abwesenheit reagiert und Panoplia anruft, um sich zu erkundigen, was eigentlich los ist.« Sie holte tief Luft.
    »Meine Vorgesetzten werden eine solche Frage selbst in der aktuellen Krise sehr, sehr ernst nehmen. Bei voller Beschleunigung müsste ein Technisches Einsatzkommando
    in weniger als fünfundvierzig Minuten hier an die Tür klopfen können. Ein solches Kommando hat sicher neue Codes
    dabei, vielleicht sogar einen tragbaren Prozessor für Notfälle, jedenfalls alles, was nötig ist, um die Abstraktion wieder zum Laufen zu bringen. Glauben Sie mir, in einer Stunde, maximal neunzig Minuten sind Sie wieder am
    Netz.«
    »Sie tun so, als wären neunzig Minuten gar nichts«, klagte Thory. »Für Sie mag das ja gelten. Ich weiß, wie es bei den Präfekten ist. Sie waren nie voll in die Abstraktion integriert.
    Sie haben keine Ahnung, was dieser Verlust für uns bedeutet. Wenn Ihre Vorgesetzten jemanden mit mehr Erfahrung geschickt hätten, jemanden, der wenigstens so aussah, als wüsste er, was er tut...«
    Thalia spürte, wie in ihrem Innern etwas nachgab, als
    bräche ihr Schlüsselbein entzwei. »Ich kann vielleicht nicht nachvollziehen, was der Verlust der Abstraktion für Sie bedeutet. Aber ich will Ihnen etwas erzählen. Ich war vor einigen Tagen mit einem Ausschlusskommando unterwegs. Es
    gab Ärger. Wir mussten euthanasieren. Also unterstehen Sie sich nicht, mich zu behandeln wie einen Lehrling, der noch nicht trocken hinter den Ohren ist und sich noch nie die Hände schmutzig gemacht hat.«
    »Wenn Sie meinen ...«, begann Paula Thory.
    »Warten Sie«, sagte Thalia. »Ich bin noch nicht fertig. Ich bin noch lange nicht fertig. Seit wir von diesem Einsatz zurückkamen - der übrigens trotz der Opfer als erfolgreich angesehen wurde -, musste sich mein Vorgesetzter mit dem Mord an mehr als neunhundert Unschuldigen befassen,
    die Besatzung eines Schiffs nicht mitgerechnet, die abgeschlachtet und verbrannt wurde, weil man sie der Mittäter-schaft an diesem Verbrechen verdächtigte, obwohl sie aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls unschuldig war. Mein

    Vorgesetzter sitzt immer noch an diesem Fall. Seine Vorgesetzte muss jeden Moment damit rechnen, dass ihr Kopf in Stücke gerissen wird. Der Rest von Panoplia bemüht sich zu verhindern, dass das gesamte Glitzerband in einen Krieg mit den Ultras schlittert, wappnet sich aber gleichzeitig für den Bürgerkrieg, der wahrscheinlich ausbricht, wenn wir erst herausfinden, wer Ruskin-Sartorius tatsächlich abgefackelt hat.« Thalia schob das Kinn vor und sah alle Mitglieder des Empfangskomitees der Reihe nach fest an. »Es mag keine typische Woche im Leben von Panoplia sein, Leute, aber es ist zufällig die Woche, die wir gerade erleben. Vielleicht finden Sie den Verlust von neunzig Minuten Abstraktion ebenso schlimm wie das, womit wir uns herumschla-
    gen. Meinetwegen, das ist Ihre Sache. Ich will Ihnen nur sagen, dass Ihr für mich ein Haufen von elenden Jammer-lappen seid, die von Glück reden können, überhaupt noch Luft zum Atmen zu haben.«
    Niemand sagte ein Wort. Alle starrten sie mit offenem
    Mund an, als hätte sie sie in Statuen verwandelt.
    Thalia lächelte verkrampft. »Aber nehmen Sie das bitte
    nicht persönlich. Wahrscheinlich wäre ich auch ziemlich empört, wenn mir jemand die Rassel aus dem Kinderwagen
    geklaut hätte. Ich meine nur, es könnte uns allen nicht schaden, die Dinge mit Augenmaß zu betrachten. Denn dies ist kein Weltuntergang.«
    Sie lockerte ihre Haltung und signalisierte damit, dass die Standpauke fürs Erste beendet war.
    »Sie da«, wandte sie sich an die Frau im feuerroten Kleid.
    »Der Zug, den Sie vorhin gesehen haben - steht er immer noch?«
    »Ja«, stammelte die Frau. »Ich sehe ihn. Er hat sich nicht von der Stelle bewegt.«
    »Und ich hatte gehofft, wir könnten mit der Bahn zur
    Endkappe zurückfahren. Wie gesagt, Hilfe wird in jedem
    Fall nicht lange auf sich warten lassen, aber wenn es Sie beruhigt, könnte ich mit dem Sender

Weitere Kostenlose Bücher