Aurum und Argentum (2) - Die magischen Avatare (German Edition)
sie anschließend genüsslich zu verspeisen.
„Zugegeben“, feixte Drac’o, als die Fee noch entsetzt guckte, „ihr Speiseplan ist gewöhnungsbedürftig, aber ansonsten ist sie völlig in Ordnung.“ Kleopatra nickte stumm, Orion war unterdessen auf die Pirsch gegangen und bald schon brach die Dämmerung herein und es wurde wieder merklich kühler.
„Wir hatten befürchtet, ihr würdet erfrieren“, bemerkte Kleopatra, als sie ihre Sprache wiederfand.
„Drachen sind zäh und Kentauren sowieso!“
Leon zog wortlos Decken und Schlafsäcke aus der Satteltasche, mit griesgrämigem Gesichtsausdruck kam soeben Akiko zurück. „Heute Nacht darf Kratzefuß mit im Zelt schlafen“, bestimmte Kleopatra, die Amazone starrte sie erst an, schüttelte sich dann heftig, entriss Leon die Packtasche, wühlte Decke, Schlafsack und nach leisem Fluchen auch ein zweites Zelt heraus.
„Ach, macht doch was ihr wollt!“, zischte sie, bediente sich aus dem Vorratssack und marschierte davon. „Wenn in diesem Untier der Dämon erwacht, werde ich das Blutbad nicht aufwischen!“
„Zicke“, war alles, was Kleopatra dazu einfiel, die Harpyie nieste wie zur Zustimmung.
„Beelzebub und Pazu hätten ihr sicher auch nicht gefallen“, seufzte Leon.
„Und trotzdem haben sie dein Vertrauen nie enttäuscht“, fügte Drac’o hinzu, hakte damit das Thema ab, schenkte eine Runde Früchtetee ein und gab jedem ein paar Kekse dazu.
„Was würde ich nur ohne dich anfangen?“, fragte sich Leon später am Abend. „Ich wäre wohl verloren.“ Dabei hob er den Blick zu den Sternen und dachte an die Pendragons, auch Flux, nun wieder in seiner Elfengestalt, musste an seine Eltern denken.
„Ohne dich wäre ich auch nicht weit gekommen!“ Doch Leon senkte den Blick und erwiderte nichts. Heimlich, still und leise gesellte sich Orion dazu, putzte ein wenig seine Federn, konnte sich dann aber nicht mehr länger zurückhalten.
„Wir tragen das Zeichen von Yin und Yang nicht ohne Grund. Das Taiji zeigt uns, dass einer den anderen braucht. Jeder von uns hat Stärken, die der Gruppe nützen.“
„Oder auch zu viele Schwächen …“, glaubte Leon und Flux runzelte ein wenig die Stirn.
„Mut und Furcht, das Gute und das Böse, die Vernunft und Instinkt – alles in uns hat seinen Gegenpol. Wo Weisheit ist, gibt es auch große Tölpelei“, dabei kratzte sich der Greif am eigenen Hals, „um uns herum existieren ebenfalls die größten Gegensätze, doch die härtesten Kämpfe ereignen sich in uns selbst: Heldenmut versus Feigheit, die Gier tritt gegen die Enthaltung an und die Logik sieht sich oft im Widerstreit mit dem Gefühl. Auch unsere Welt selbst hat zwei urgewaltige Kräfte in sich wohnend, eine davon schenkt Leben, die andere nimmt es ohne Erbarmen. Die alten Philosophen benannten diese Kräfte einst, sie fassten sie als die Seelen von >Aurum & Argentum< auf: Den guten Spirit und den dunklen Spirit. Seither gab es viele Diskussionen über die Nomenklatur, niedergeschrieben in tausendseitigen Folianten, geändert hat man sie jedoch nicht.“
Flux zog ein wenig die Nase kraus, „Der gute und der dunkle Spirit von >Aurum & Argentum“
„Ganz genau. Auch wenn du diese Titel noch nie gehört hast, du kannst sicher schnell verstehen, was sie beschreiben. In manchen Gegenden nennt man sie auch Gaja, die Mutter Erde, jener Ort, von dem alles Leben kommt und an den es nach dem Tode zurückkehrt. Sie spendet und sie verschlingt, diese beiden Prinzipien finden sich getrennt wieder im guten und im dunklen Spirit. Ohne das eine wäre das andere nicht komplett. Man muss auch trauern, um Freude empfinden zu können, alles was lebt, muss irgendwann sterben und wo Licht ist, dort fällt auch Schatten.“ An diesem Punkte angelangt, hüstelte er, hielt einen Moment inne, erhob sich danach und schloss: „Nun denn, diese Nacht werde ich ein Auge offenhalten. Philosophieren ist wie ein guter Wein … man sollte es in Maßen genießen.“
Gähnend gab Flux ihm Recht, Leon kratzte sich etwas ratlos am Hinterkopf, das Gesagte spukte noch lange vor seinem inneren Auge herum. Sein Bruder hingegen träumte schon bald selig, erst von einem Schmatzen und Knirschen wachte er wieder auf. Am Horizont zeigten sich gerade die ersten Sonnenstrahlen, doch Kratzefuß war schon geschäftig unterwegs, zwischen den taufeuchten Pflanzen erbeutete sie allerlei Getier, gerade ließ sie sich einen besonders prachtvollen Hirschkäfer schmecken.
Von Leon fehlte jede
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