Aurum und Argentum (2) - Die magischen Avatare (German Edition)
blieb an einer liegenden Sphinxstatue mit dem Kopf eines Pharaos stehen. Gleich daneben saß eine eher griechisch anmutende schlanke Sphinx und etwas weiter eine Rokoko-Variante, die in ein mit Spitzen gesäumtes Gewand mit Rüschen und Quasten gehüllt war, einen Federhut trug und sich mit prächtigen Halsketten, Blumen und einer Lockenperücke schmückte.
„Sie würde sehr gut neben Vaters bescheidenem Thron zur Geltung kommen“, urteilte Kleopatra und war genauso entzückt von einer kindlichen Sphinx, die auf Lotusblüten gebettet mit einem Skarabäus-Käfer spielte. Doch nicht alle Statuen wiesen menschenähnliche Gesichtszüge auf, einzelne hatten auch den Kopf eines Widders oder Falken.
„Nun schaut euch die an“, zwischen den Säulen räkelte sich ein lebendiges Exemplar mit glatten schwarzen Haaren und weiblichem Gesicht in der Sonne, „sag mir: Was hat vier Beine und schaut dümmlich aus dem Hemd?“
„Vielleicht ein Mensch“, neben der ersten erschien eine zweite Sphinx, diese hatte nun Flügel und blondrote Stocklocken, „denn der Mensch hat je erst vier, dann zwei, dann drei Beine. Weil er als Baby krabbelt, dann aufrecht geht und sich im Alter auf einen Stock stützt!“
„Alte Kamellen“, brummte ein Sphinxkater, der auf dem Rücken lag und sich den Bauch sonnte, „wie langweilig.“
„Nein, Schätzchen“, widersprach die Schwarzhaarige, „ich meine den dümmlichen Kentaur dort.“
„Noch so ein Spruch …“, drohte Drac’o mit geballter Faust.
„Hui“, gähnte der Mann, „ich mach’ mir gleich in den Pelz.“ Die anderen Sphingen brachen in schallendes Gelächter aus, worin sich auch ein Blöken und Vogelgeschrei mischten.
„Eine Kriosphinx-Familie“, war Orion völlig begeistert von den schafsköpfigen Löwen. Misstrauisch senkte der Widder seinen Kopf, um seine prächtigen Hörner zu präsentieren und oben auf einem Sockel neben einer Statue erschien ein Hieracosphinx mit Falkenkopf und präsentierte sich in voller Pracht.
„Seid ihr etwa Forscher?“, fragte die Schwarzhaarige gehässig. „Die treten sich hier bald auf die Füße.“
„Sind wir nicht!“, donnerte Akiko. „Außerdem müssen wir sofort weiter!“
„Nicht so schnell“, bat Orion, „hier gibt es sicher noch mehr zu sehen.“ Schließlich führte die Allee direkt zu einer Pyramide und diese stand auch nicht allein, sondern in Gesellschaft weiterer Grabmähler, Obelisken und riesenhafter Standbilder.
„Ich bestehe aber darauf! Abmarsch!“
„Nun schaut euch die an“, unkte die schwarzhaarige Sphinx, „führt sich auf wie ein Hofmarschall.“
„Grauenhaft“, gähnte der Mann und strich sich mit den Pfoten über den kurzen Bart. Akiko kniff die Augen zusammen und stierte zu ihnen hinüber, ohne Erfolg.
„So verhält sich nun wirklich keine Dame“, urteilte die Blondine, „nun gut, ich habe eine Cousine, die an einem einsamen Pfad Wanderer das alte Sphinxrätsel stellt und jene auffrisst, die es nicht lösen können – aber sie macht das mit Stil.“
„Wenn ich die erwische, lasse ich sie ausstopfen! Ich bin Dämonenjägerin.“
„Und wenn sie dich erwischt, Kleine, bist du Hackfleisch.“ Wieder brach die Meute in Gelächter aus, Akiko wandte sich schnaubend ab, doch niemand folgte ihr.
„Ich muss mir unbedingt diese altehrwürdigen Gemäuer ansehen“, schnurstracks begab sich Orion zum Ende der Allee, wo sich die Pyramide majestätisch in den Himmel erhob, „das muss das Grabmal sein, das sich der Drachenfürst im ersten Zeitalter errichtete.“ Neben dem Grab erhob sich eine überlebensgroße Statue des grausamen Königs, etwas weiter entfernt standen nicht weniger spektakuläre Abbilder des Zauberer-Monarchen und des Dunkelelfen. Sie wirkten jedoch winzig im Gegensatz zu der höchsten und ältesten Pyramide, die schon viele tausende Jahre hier stand und noch sehr gut erhalten war. „Gebaut zu Ehren aller Götter die dereinst waren, sind und sein werden“, hauchte Orion und marschierte wie in Trance dem kolossalen Bauwerk entgegen. Sein Weg führte ihn geradewegs an den Rand eines tiefen Kraters, mit einem Vorderfang ruderte er schon über dem Abgrund, als er endlich zu sich fand und anhielt.
Drac’o schenkte der kleineren Pyramide des ersten dunklen Fürsten einen verächtlichen Seitenblick. Dieser Unhold hatte ganz sicher seinen Beitrag zum Märchen des blutrünstigen und jungfrauenraubenden Drachenungeheuers beigetragen. Das Grabmal, wie auch die Statuen wiesen
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