Aus Dem Dunkel
nicht will, dass ich ihn auffliegen lasse? Nehmen wir mal an, er wollte mich aus dem Verkehr ziehen, aber es hat nicht geklappt. Ich habe überlebt, weil ich von ein paar Einheimischen aus dem Lagerhaus gezerrt worden bin, bevor es explodiert ist. Was dann? Würde diese Person nicht weiter versuchen, mich umzubringen?«
Dr. Terrien musterte ihn zweifelnd. »Gabriel«, sagte er, »ich möchte Ihnen ja glauben … na ja, Sie wissen schon, was ich meine … natürlich möchte ich nicht, dass Ihnen Schaden zugefügt wird. Aber Sie müssen einsehen, dass Ihr Nervensystem so an Bedrohungen gewöhnt ist, dass Sie diese Situation möglicherweise erfunden haben, um Ihre Gefühle zu rechtfertigen. Das Gehirn braucht Zeit, um zu verarbeiten, dass die Gefahr vorüber ist.«
Herrgott, nicht schon wieder diese Leier. Gabe biss sich auf die Zunge und zwang sich, den Doktor ausreden zu lassen. Der Mann hielt ihn nach wie vor für paranoid.
»Haben Sie die Polizei über diese Sache informiert?«, fragte der Psychiater. Er wirkte besorgt.
Gabe dachte an das Polizeiauto, das ihn zu überfahren versucht hatte. Wenn er jetzt behauptete, die Cops seien auch an dieser Intrige beteiligt, die seinen Tod zum Ziel hatte, würde der Mediziner ihn auf jeden Fall für verrückt halten. »Nein«, antwortete er knapp. »Aber Sie sollten wissen, dass ein Agent der Defense Intelligence Agency, der meinen Fall untersucht hat, inzwischen tot ist. Er starb bei einem Autounfall. Der Verantwortliche hat Fahrerflucht begangen.«
Diese Information ließ den Doktor innehalten. Er rieb sich mit den Fingerspitzen das Kinn, die Stirn besorgt in Falten gelegt.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Doc?«, begann Gabe.
»Nur zu«, meinte Terrien großzügig.
»Gibt es vielleicht noch jemanden, der meine Genesungsfortschritte verfolgt?« Gabe musterte den Arzt. Es war unmöglich, zu sagen, ob der Ausdruck in Terriens blaugrauen Augen von Schuld, Überraschung oder Sorge zeugte.
»Nun, natürlich«, antwortete der Psychiater. »Ihr Commander möchte sofort wissen, wenn Sie wieder ganz genesen sind. Er kann es nicht erwarten, Sie wieder im Team zu haben.«
Commander Lovitt. »Haben Sie mit ihm über meine Fortschritte gesprochen?«
Dr. Terrien räusperte sich unbehaglich. »Nun ja, sozusagen. Ich bin verpflichtet, ihn auf dem Laufenden zu halten.«
So viel zum Thema Vertraulichkeit , dachte Gabe höhnisch. Er hätte Forresters Rat befolgen und nicht mit seinem Psychiater sprechen sollen. Zwar glaubte er nicht, dass Lovitt irgendwie an der mörderischen Verschwörung beteiligt war. Aber hätte er dem Arzt seine paranoiden Überlegungen verschwiegen, wären seine Chancen, in den aktiven Dienst zurückzukehren, besser gewesen. Verdammt, er war so ein Idiot!
»Wissen Sie, was?«, sagte Gabe und stand abrupt auf. »Danke, dass Sie mir zugehört haben. Ich bin sicher, diese Sitzungen haben meinem Gedächtnis wieder auf die Sprünge geholfen, aber ich glaube, jetzt verschwende ich damit nur noch meine Zeit.«
Mit einem knappen Gruß verließ er das Sprechzimmer und das Bürogebäude. Draußen auf dem Bürgersteig wartete er darauf, dass Sebastian ihn abholte.
16
Mallory betrachtete sich mit kritischem Blick im Badezimmerspiegel. Die Tönung hatte sich aus ihren Haaren herausgewaschen, sodass es jetzt nicht mehr schwarz, sondern holzkohlegrau aussah. Ihre Nase war zu groß für ihr Gesicht und mit Sommersprossen gesprenkelt. Ihr Mund wirkte viel zu breit. Sie hasste ihr Aussehen.
Vielleicht sollte sie ihre Haare anders färben oder ein paar Stecker in ihren neu gestochenen Ohrlöchern tragen. Ihre Eltern würden ausrasten. Die Vorstellung, wie sie ausflippten, hatte etwas Verlockendes. Dann würden sie darüber sprechen müssen, was sie mit ihr anstellen sollten, weil sie gegen sie rebellierte. Sie griff nach dem Schmuckkästchen und entnahm ihm zwei silberne Stecker. Sie in die Löcher zu bekommen, die fast schon zugewachsen waren, tat ganz schön weh. Aber es lenkte sie davon ab, dass Gabe nicht mehr da war. Das Haus hallte geradezu wider von der Stille, die es erfüllte, wenn ihre Mutter arbeitete, aber Mallory ertrug es nicht hinauszugehen. Scheinbar jeder Vater in Amerika verbrachte die Ferien mit seinen Kindern. Es brach Mallory das Herz, zusehen zu müssen, wie sie in den Wellen herumtollten und Souvenirs kauften.
Sie war sich so sicher gewesen, dass alles gut werden würde, wenn Gabe in ihr Leben zurückkehrte. Er war genau so, wie ein Dad sein
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