Aus Dem Dunkel
ich dann morgen wieder.«
Helen bedankte sich und ging zurück ins Wartezimmer. Gabe saß immer noch auf demselben Stuhl, die Beine ausgestreckt, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Ich mache mir Sorgen um Mallory«, sagte er und sah sie forschend an.
Langsam war auch Helen beunruhigt. »Ich höre mal zu Hause den Anrufbeantworter ab«, schlug sie vor.
Sie holte ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des AB s. Die einzige Nachricht stammte von ihrem Vater. Sein wütender Tonfall ließ sie zusammenzucken und das Telefon von ihrem Ohr weghalten.
»Warum zum Teufel hast du uns nicht angerufen und uns Bescheid gesagt?«, schimpfte er. »Wir möchten Gabe sehen, sobald es geht. Wir denken sogar darüber nach, euch zu besuchen. Ruf uns an! Und sag Renault, wir freuen uns darüber, dass er wieder zu Hause ist.«
Helen klappte das Handy zu.
»Wer war das?«, wollte Gabe wissen.
»Mein Vater. Admiral Johansen hat ihm erzählt, dass du zurück bist.« Sie hatte ihre Eltern nicht selbst angerufen. Sich gleichzeitig mit Ihnen und Gabe auseinanderzusetzen, war mehr, als sie ertragen konnte.
»Keine Nachricht von Mallory«, schloss er daraus und erhob sich geschmeidig von seinem Stuhl.
»Ich bin sicher, dass alles okay ist«, meinte Helen, während sie gemeinsam die Praxis verließen. »Sie verbringt viel Zeit mit ihrem Freund Reggie. Er wohnt ein Stück die Straße hinunter.«
»Ein Junge?« Gabe klang alarmiert.
»Mach dir keine Gedanken. Er ist halb so groß wie sie. Er ist noch ein halbes Kind.« Sie steckte den Schlüssel in die Autotür.
Er sah sie mit gerunzelter Stirn über das Autodach hinweg an. »Aber er ist ein männliches Wesen, und das reicht.«
Helen warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. »Mal und Reggie sind seit drei Jahren dicke Freunde. Du kannst ja mal versuchen, ihr zu erklären, dass sie keine Zeit mehr mit ihm verbringen soll.«
Gabe hob beschwichtigend die Hände. »Zeig mir einfach, wo er wohnt«, sagte er.
Dagegen war nichts einzuwenden.
Unterwegs schwiegen sie für eine ganze Weile. Es herrschte viel Verkehr, weil alle von der Arbeit nach Hause fuhren. Helen bog schließlich in eine abgelegene Seitenstraße, und endlich kamen sie schneller voran. Dr. Terriens Rat bewegte Helen schließlich dazu, etwas zu sagen.
»Ich denke, meine Kehle ist wieder in Ordnung«, bemerkte sie beiläufig, ohne die Straße aus den Augen zu lassen.
Gabe erwiderte nichts. Sie spürte aber die Anspannung, die sich in ihm aufbaute.
»Dr. Terrien sagt, dein Unterbewusstsein erkenne mich. Du brauchst also kein schlechtes Gewissen mehr zu haben«, fügte sie hinzu. »Ich bin bei dir absolut sicher.«
Hah! Leila würde sich totlachten!
»Das ist vielleicht etwas übertrieben.« Gabe knurrte.
Sie warf ihm einen scharfen Blick zu und bemerkte, dass er ihre Oberschenkel betrachtete.
Oh mein Gott. Sie spürte ein Prickeln auf der Haut. Wie sollte sie ihm bloß jemals widerstehen können? Wie sollte sie verhindern, dass sie ihm erlag, jetzt, da sie ihm nicht mehr entkommen konnte?
Sie beugte sich vor und schaltete das Radio ein.
Gabe hasste Countrymusik. Sie hatte den Sender nur gewählt, um ihn zu ärgern.
Er blickte ihr in die Augen und lächelte. »Ich glaube, ich mag Countrymusik«, sagte er. »Sie ist friedlicher, als ich sie in Erinnerung habe.«
Oh Gott! Sollte er jetzt noch irgendetwas richtig machen, sie würde ihn packen und erneut küssen.
»Eddie?« Noel Terrien brauchte sich nicht mit Namen zu melden. Er war zweifellos der einzige Mensch, der den Mann am anderen Ende der Leitung bei seinem Spitznamen nannte. Aber sie waren zusammen zur Grundschule gegangen, und seither hatte sich nichts daran geändert.
»Noel!«, sagte Commander Lovitt und klang überrascht. »Hast du Neuigkeiten für mich?«
»Das Erinnerungsvermögen des Patienten kehrt zurück«, erklärte der Psychiater. Es gefiel ihm gar nicht, seine Schweigepflicht zu brechen, aber die Welt des Militärs war nun mal eine andere als die der Zivilisten. Jeder höhere Rang bedeutete auch mehr Macht und eröffnete die Möglichkeit, die Regeln ein wenig den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Außerdem stand Noel in Eddies Schuld, weil dieser ihm seinen Arbeitsplatz verschafft hatte. Noels Jahr in der Entzugsklinik machte es ihm schwer, im zivilen Leben noch einen Job zu finden.
Im Hintergrund hörte er, wie Eddies Schreibtischsessel quietschte. »Wie, schon?«, fragte Eddie ungläubig.
»Ich bin sehr zufrieden mit seinen
Weitere Kostenlose Bücher