Aus Dem Dunkel
Fortschritten«, gestand Noel und wünschte sich insgeheim, er könnte sich das als seinen Verdienst anrechnen. »Es würde mich nicht wundern, wenn er sich innerhalb eines Monats wieder an alles erinnern könnte.«
Dieser Aussage folgte eine überraschende Pause am anderen Ende der Leitung. »Was ist mit der Verletzung seines Stirnlappens? Beeinflusst ihn das nicht ungünstig?«
»Nicht, dass ich wüsste, aber es ist zu früh, um dir darauf eine endgültige Antwort zu geben.«
»Kann er sich an seine letzte Mission erinnern?«
»Oh nein. Ich habe mich erst mal auf die zwei Jahre davor konzentriert. Es gibt keinen Grund dafür, unangenehme Erinnerungen zu wecken, bevor die guten nicht wieder gefestigt sind.«
»Richtig.«
»Aber er erinnert sich an seine Gefangenschaft. Es sind nur Einzelheiten, viel zu bruchstückhaft, um daraus ein Bild zu formen. Er konnte den Namen des Mannes nennen, der ihn verhört hat … warte mal.« Noel sah in seinen Notizen nach. »Er heißt Seung-Ki.«
»Hat er irgendwelche militärischen Geheimnisse verraten?«
»An dem Punkt sind wir noch nicht. Der Patient macht sofort zu, wenn ich versuche, Details aus ihm herauszubekommen.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte für einen Moment nachdenkliches Schweigen. »Vielen Dank für die Information«, sagte Eddie dann.
»Hmmm«, erwiderte Noel. Er konnte nicht behaupten, dass er sich in seiner Position besonders wohlfühlte, aber Empfänger von Almosen durften nicht wählerisch sein. Und sollten die Erinnerungen des Patienten die nationale Sicherheit gefährden, dann hatte Eddie ein Recht darauf, es zu erfahren.
»Halt mich auf dem Laufenden«, bat sein alter Freund.
»Mach ich«, erwiderte Noel. Dann legte er auf und verstaute Gabe Renaults Unterlagen in der Schublade. Er wünschte sich, er hätte sein schlechtes Gewissen, das ihn beständig plagte, genauso einfach zu den Akten legen können.
Nervös betrachtete Mallory die kleine gedrehte Zigarette. »Wo hast du die her?«, fragte sie ihren Freund.
Reggies Sommersprossen hoben sich so sehr von seiner Haut ab, dass sie auch im Schatten deutlich zu sehen waren. Sie saßen zusammen im Halbdunkel des Kellers, in welchem er sich ein gemütliches Zimmer eingerichtet hatte. Die alte karierte Couch roch muffig, und ein paar Federn waren gebrochen, man spürte sie deutlich, wenn man sich an die falsche Stelle setzte.
»Ein Typ am Strand hat sie mir geschenkt«, prahlte er, bevor er sich den Stummel zwischen die Lippen schob und mit dem Daumen das Feuerzeug entzündete.
»Warte mal«, protestierte Mallory. »Das ist genau das, wovor sie uns im Gesundheitskurs gewarnt haben. Von dem Zeug kann man abhängig werden.«
»Quatsch«, entgegnete er. »In der Schule haben sie von dem harten Zeug geredet. Alle Leute auf der Highschool rauchen Marihuana. Das ist völlig harmlos.« Er ließ erneut das Feuerzeug aufflammen und zündete das Ende des Joints an.
Mallory beobachtete ihn unsicher. Sie wusste ja, dass Reggie leichtsinnig war, aber jetzt trieb er es einfach zu weit. Die Flamme erhellte sein leuchtend rotes Haar, und seine blauen Augen strahlten. Dann lag wieder alles im Halbdunkel. Nur die dünne Rauchsäule der Haschischzigarette, die zur Decke stieg, war zu sehen.
Das Zeug roch komisch. Mallory lehnte sich zurück und beobachtete, wie Reggie darauf reagierte. Er nahm einen tiefen Zug und musste mehrfach husten. Er lachte über sich selbst, während sich seine Augen mit Tränen füllten. »Lass es mich noch mal probieren«, meinte er.
Diesmal gelang es ihm ohne Hustenanfall. Er hielt die Luft an, genau so, wie sie es immer in Filmen gesehen hatten. Mallory hielt ebenfalls die Luft an.
Reggie warf ihr einen Blick zu und lachte, dann blies er den Rauch in ihre Richtung. »Wow, ich spüre es schon«, sagte er. »Es ist, als würde man fliegen. Cool!«
Trotz aller Abneigung wurde Mallory neugierig.
»Willst du auch mal?«, fragte Reggie und hielt ihr den Joint entgegen.
»Im Moment noch nicht«, meinte sie. Sie brauchte sich nur vorzustellen, wie ihre Eltern reagieren würden, sollten sie davon erfahren, und sofort verließ sie wieder der Mut.
Reggie brauchte sich wegen so etwas keine Sorgen zu machen. Sein Vater war schon lange nicht mehr da, und seine Mutter war bei der Arbeit.
»Geil«, meinte er und nahm einen weiteren Zug. »Mann, dass ist total chillig«, erklärte er und legte sich quer über zwei Kissen der Couch. So, wie er zusammenzuckte, hatte er eine der gebrochenen
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