Aus Dem Dunkel
den Gedanken gebracht hatte. Er musste ihr irgendwann aus der Tasche gefallen sein. »Möchtest du, dass er so aussieht wie der hier?«, erkundigte er sich und zeigte auf das Foto. »Wir können ihn genauso anlegen, wie du ihn haben möchtest«, fügte er voller Enthusiasmus hinzu.
»Das ist schon richtig so«, erwiderte sie irgendwie genervt davon, dass er ihre unausgesprochenen Wünsche erriet und sie auch noch in die Tat umsetzte. Leila, mit der sie gerade gegessen hatte, musste recht haben. Niemand würde sich so ins Zeug legen, wenn er nicht versuchte, eine Schlacht zu gewinnen. Gabe war daran gewöhnt, zu siegen. Er würde alles tun, um einen festen Platz in ihrem Leben zu erobern.
Wir werden sehen , dachte sie und betrachtete benommen die Anordnung der Steine. Sie war heute einfach nicht mehr so naiv wie früher.
Und doch beobachtete sie mit aufkeimender Hoffnung, wie Gabe zwei der Findlinge aufhob, in einem bestimmten Winkel zueinander platzierte und das Arrangement prüfend betrachtete. Sein ernster Gesichtsausdruck lieferte nicht den geringsten Hinweis auf irgendwelche Hintergedanken. Schweiß strömte ihm über das Gesicht, sein Haar war zersaust, und das gelbe T-Shirt klebte an seinem Körper.
Sie stellte sich die Narben vor, die der feuchte Stoff verbarg. Wie war es möglich, dass er durch die Misshandlungen, die er durch seine Gegner erlitten hatte, zu einem großherzigeren Menschen geworden war? Hätte sie derartige Schrecken durchleben müssen, wäre sie danach desillusioniert und wütend auf die ganze Welt gewesen.
Diese Veränderungen in Gabe konnten im besten Fall nur vorübergehend sein. Sobald er sich wieder ganz an seinen Albtraum erinnerte, würde er mit Sicherheit ebenfalls wütend und verbittert werden. Er würde all seine Energie darauf verwenden, Vergeltung zu üben, und darüber seine Familie vergessen.
Sie musste sich dagegen wappnen. Sich in Gabe zu verlieben, solange noch nicht abzusehen war, wie er sich noch verändern würde, wäre ein schwerwiegender Fehler.
Schweigend ging sie an den beiden vorbei und stieg die Treppe hinauf, wobei sie ein schlechtes Gewissen plagte.
Sechs der Männer des Ersten Trupps vom Echo Platoon hatten sich um den Tisch in Luther Lindstroms Küche versammelt. Es fehlten Commander Jason Miller, da er nicht eingeladen worden war, und PO 3 Rodriguez, das neueste Mitglied, der anderweitige Verpflichtungen hatte.
Luthers Verlobte flirtete mit den Männern und war deutlich in ihrem Element, als sie duftendes Gebäck vor sie hinstellte und ihnen Getränke reichte. Die Männer murmelten ihren Dank und ignorierten sie ansonsten – soweit es möglich war, die vollen Brüste zu ignorieren, die ihnen ins Gesicht gehalten wurden, und das seidige schwarze Haar, das über ihre Schultern strich.
Teddy »Bear« Brewbaker brach das Eis, indem er ein bekanntes Ärgernis ansprach: Millers Geiz. »Er nennt es Munitionsverschwendung«, murmelte er und stellte mit einem dumpfen Laut sein Bier ab. »Wozu ist ein Trainingshaus denn gut, wenn man es nicht zusammenschießen darf? Himmel, er macht sich bloß Sorgen darum, was es kosten wird, das Ding wieder aufzubauen.«
Die Männer schüttelten einhellig angewidert die Köpfe und gaben alle ihren Senf dazu. Dann wandten sie sich erwartungsvoll Gabe zu, der ja um dieses Treffen gebeten hatte.
Gabe warf Luther einen vielsagenden Blick zu und deutete mit dem Kopf in Veronicas Richtung.
»Ronnie, lässt du uns kurz allein?«, rief Luther ihr etwas zögerlich zu. Angelegenheiten der SEAL s waren immer absolut vertraulich.
Veronica schnalzte ärgerlich mit der Zunge, stellte ein Backblech in die Spüle und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab, während sie aus dem Raum stolzierte.
Gabe holte tief Luft. Er war sich der Stille, die sich über den Tisch gesenkt hatte, nur allzu bewusst. »Also … ich weiß nicht, wie viel euch der Master Chief bereits erzählt hat … «
Ein Blick in die ausdruckslosen Mienen der Männer genügte, um zu erraten, dass die Antwort nichts lautete. Sebastian war die Diskretion in Person.
»Okay, es geht um Folgendes«, fuhr Gabe fort und senkte die Stimme. »Ich möchte alles über die Nacht erfahren, in der ich verschwunden bin. Ich möchte wissen, was zum Teufel schiefgelaufen ist.«
Westy McCaffrey wechselte einen Blick mit Teddy, bevor er seine stahlblauen Augen auf Gabe richtete und es übernahm, die Frage zu beantworten. »Es waren nur vier von uns auf der Mission, Sir … Sie,
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