Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers
Recherche über Luxusimmobilien auf Mallorca. Damals gehörte das Anwesen noch Maschmeyers Partner Bertold Schwarz. Um es kurz zu machen, es war grauenhaft. Bedrückend. Scheußlich möbliert, atemberaubend geschmacklos. Natürlich eine grandiose Aussicht, obwohl man auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht die Konstruktion neuer Bausünden mit ansehen musste, aber man konnte auch woanders hingucken. Schwarz sagte damals: »Man gewöhnt sich an nichts so schnell wie an den Ausblick.«
Das gab mir zu denken, er wirkte wie ein Mann, der schon viele Ausblicke in seinem Leben genossen hatte, wahrscheinlich hatte er sie alle gehabt, den Meerblick, den Gipfelblick, den Panoramablick und den Blick auf den Eiffelturm. Jetzt hing er auf Mallorca fest, in diesem Anwesen mit eigenem Anleger und Lady Di-Zimmer. Sie hat da, einer alten Maklerlegende nach, einmal übernachtet und am nächsten Morgen eine Rose auf dem Schminktisch hinterlassen. Diese Rose verwelkte auch nach Jahren nicht und wurde inzwischen durch eine Plastikrose ersetzt.
Das Original befindet sich wahrscheinlich im Vatikan, wo sie als Zeugin für eine bevorstehende Heiligsprechung von Lady Di dienen soll. Nicht lange nach ihrem Aufenthalt in der Traumvilla starb Lady Di in einem Tunnel.
Nicht nur deshalb herrschte eine sehr melancholische, fast depressive Atmosphäre in der Immobilie. Im Zimmer mit der schönsten Aussicht hatte sich der Hausherr eine Wersi-Orgel aufstellen lassen. Ein Modell, das es gar nicht zu kaufen gab, extra für ihn angefertigt. Wenn er auf der Orgelbank Platz nahm, hatte er den wohl großartigsten Ausblick, den je ein Organist, jedenfalls ein Wersi-Organist, gehabt hat. Bertold Schwarz legte damals, im Jahre 2002, den Hauptschalter um und begann zu spielen: »La Cuccaracha«. Er zog alle Register, seine breiten Finger huschten wieselflink über die Tasten, es war großartig und es war der einzige Weg, die Aussicht zu verändern, jedenfalls akustisch.
Seine Orgel hatte einen eingebauten CD-Brenner, er konnte diese fantastischen Augenblicke für die Ewigkeit festhalten. Die Orgel war das Beste an dem ganzen Haus, die Orgel und Bertold Schwarz. Jetzt gehört das Anwesen seinem Kompagnon Maschmeyer, und der hat es an Christian und Lady Wulff für 5000 Euro vermietet. Die haben da jeden Abend gestanden, mit der Plastikrose von Lady Di in der Hand aufs Meer geschaut und sich schnell an die Aussicht gewöhnt.
Hat irgendjemand La Cuccaracha für sie gespielt? Darüber schweigen sich die Zeitungen aus. Wulff musste dann auch früher nach Hause, weil schon wieder mal ein Unglück in einem Tunnel passiert war. In Duisburg. Noch in der Traumvilla forderte er eine »rückhaltlose Aufklärung«. Das wird den Verantwortlichen zu denken gegeben haben. Gerade waren sie dabei, die Sache irgendwie halbherzig und unter Vorbehalten aufzuklären, da ergeht das Machtwort des Präsidenten: »Rückhaltlos.« So was fällt einem nur im Traumurlaub ein. Einfach mal rückhaltlos aufklären. Da wären die doch in Duisburg nie drauf gekommen. Nicht im Traum.
Lebensrettungstasche
»Die Umstellung des Funknetzes hat zur Folge, dass die alten Funkgeräte der DLRG-Lebensretter nicht mehr funktionieren. Wir brauchen Ihre Hilfe, Herr Zippert.« Das schreibt mir die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft und ich befürchte, da muss eine Verwechslung vorliegen. Ich verstehe nämlich überhaupt nichts von Funkgeräten. Ich begreife auch nicht, warum »alle analogen Funkgeräte unbrauchbar« werden. Ich benutze meinen alten analogen Plattenspieler doch auch neben dem mp3-Player. Jedenfalls kann ich da nicht weiterhelfen, so gerne ich es auch täte. Tatsache scheint zu sein, dass man demnächst digital und nicht mehr analog gerettet wird, das ist wohl einfach moderner. Wahrscheinlich hängen die alten analogen Geräte auch an Kabeln, und heute ist ja alles schnurlos. Obwohl ich als Laie immer noch glaube, dass man ganz simpel analog ertrinkt, und da könnten sie einem doch einfach die Schnur von ihren Funkgeräten zuwerfen.
Als Anreiz hat der DLRG mir eine blaue Einkaufstasche beigelegt, die mich »als DLRG-Retter-Retter auszeichnet«, und es liegt auch ein Zahlschein dabei, in den ich irgendeine Summe eintragen kann, falls ich doch keine Zeit haben sollte, die Funkgeräte auf Digitalbetrieb umzuschalten. Ich bin immer gerne bereit, im Rahmen meiner Möglichkeiten zu helfen, aber die Tasche verunsichert mich. Warum hat man keinen aufblasbaren Schwimmring oder einen
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