Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers
anderen thematisch passenden Gegenstand verschickt? Werfen sie einem im digitalen Zeitalter jetzt eine Einkaufstasche zu? Soll mich das dezent darauf hinweisen, dass sie zuerst den Konsumenten und dann erst den Menschen retten wollen?
Der Trend geht zur Flüssigkeit
Und da wir gerade von feuchten Elementen sprachen, fragt mich der Wirtschaftsteil meiner Tageszeitung: »Wohin geht der Trend beim Bier? Was will der Verbraucher, was können die Hersteller anbieten?«
Woher soll ich das wissen? Ich trinke kaum Bier und stelle keins her. Aber wenn ich schon mal gefragt werde, würde ich sagen: Natürlich muss der CO2-Ausstoß der Brauereien gesenkt werden. Eine Biermarke wie das früher so beliebte Kohlenstoff-Urtyp hat auf dem freien Markt keine Chance. Allerdings müssen auch die Verbraucher mitziehen und auf den Verzehr von stark blähenden Speisen zum Bier verzichten. Wichtig ist vielen Trinkern bestimmt ein klimaneutrales Bier. Es darf nicht zu kalt sein, aber auch nicht zu warm. Biere mit Temperaturen über 60 Grad verursachen Unwohlsein und Schweißausbrüche.
Ist das Bier zu kalt, kann es zum gefürchteten Gefrierbrand kommen, der oft noch schlimmere Folgen als der Nachdurst haben kann. Ebenso wichtig sind fair gehandelte Biere. Alle deutschen Hersteller lehnen Kinderarbeit kategorisch ab, selbst bei der Malzbierproduktion kommen nur Erwachsene zum Einsatz. Viele verlangen auch, dass ihr Bier nicht den Lebensraum des Eisbärs vernichtet. Der Einsatz von Eisschollenwasser ist deshalb verboten. Auch beim Bier setzen inzwischen fast alle Hersteller auf Hybridantrieb. Das Getränk kann sowohl mit Hopfen als auch mit Malz betrieben werden. Bei Warsteiner denkt man sogar über einen Antriebsflüssigkeitswechsel nach und will einen Kasten Bier mit drei integrierten Wasserflaschen anbieten. Obwohl die Rohstoffe immer knapper werden, plant man in der Branche jedoch keinen bierfreien Sonntag.
Gearbeitet wird auch an der Entwicklung eines intelligenten Bieres. Das Getränk soll erkennen, wenn Durstgefühle entstehen, und sich dann von selber öffnen. Die Biere sollen auch registrieren, wann der Zustand der Fahruntüchtigkeit oder des Kontrollverlusts erreicht sind. Notwendig wurden diese aufwendigen Forschungen, weil die Konstruktion eines intelligenten Trinkers als gescheitert angesehen werden muss.
Eine völlig neue Entwicklung sind die sogenannten Bierbaumärkte am Rande der Städte. Hier können sich Bastelwillige alle Einzelteile zum Biereinbau kaufen. Für Eilige gibt es Schaum und Bier getrennt. Spezialisten kaufen auch noch Glas, Flasche, Kasten und Bierdeckel zum Selberbemalen dazu. Wer einigermaßen geschickt ist, kann sein Bier sogar aufstocken oder umbauen.
Und was ist mit der Krise? Sind auch die Bierinstitute davon betroffen? Gibt es Liquiditätsengpässe? Droht gar die Teilverstaatlichung? Größeres Unheil wurde zunächst durch die Einlagerbiergarantie verhindert. Ein Ergebnis der Kurzarbeit ist das vermehrte Auftreten von 0,3-Liter-Flaschen. Aber man muss sagen, dass die Bundesregierung bislang sehr verantwortlich gehandelt hat. Wo es nötig war, hat man Stützkäufe getätigt, die dann direkt im Kabinett konsumiert wurden.
2010
August
Ich folgte einem Zombie
Als Autofahrer ist man auf der Autobahn einer Menge Zumutungen ausgesetzt. Die schlimmsten sind die Plakate am Fahrbahnrand. Ich erinnere mich noch mit Grauen an Philipp Lahm, der mich schief grinsend von der Leitplanke anblickte und ohne ersichtlichen Grund behauptete: »Raser sind so cool«. Er sah überhaupt nicht gesund auf dem Plakat aus, und ich brauchte Wochen, bis ich begriff, was er, bzw. der für das Plakat verantwortliche DVR, der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, mir mitteilen wollten. Die Aussage war ironisch gemeint, Philipp Lahm fand Raser überhaupt nicht cool. Um das zum Ausdruck zu bringen, hatte er Zeigefinger und Daumen seiner linken Hand ganz nah zusammengeführt, bis nur ein winziger Spalt zwischen beiden frei geblieben war. Damit wollte er mir keineswegs die Größe seines Geschlechtsorgans signalisieren, sondern er wollte sagen: So winzig cool finde ich die Raser. Die Botschaft dieser Plakate kann einen in tiefe Verwirrung stürzen und erfüllt damit möglicherweise tatsächlich ihren Zweck, nämlich mich vom Rasen abzuhalten. Andere Menschen versetzt diese mit Steuermitteln bezahlte Kampagne erst recht in Raserei. Sie fahren immer schneller, nur um den Irrsinn nicht wahrnehmen zu müssen.
Inzwischen haben sie noch
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