Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers
Wirbel eines unbenannten Sauriers ausgestellt, der noch größer als der Argentinosaurus sein muss. Er kann mit Sicherheit in die Fenster des 4. oder 5. Stockwerks schauen. So lange ich lebe, findet man jedes Jahr ein noch größeres Exemplar. Bald graben sie einen aus, der so groß wie Deutschland ist, und eines Tages wird man endlich herausfinden, dass die Saurier gar nicht ausgestorben sind, sondern dass wir im Inneren eines Sauriers leben, dessen Magen wir für das Weltall halten. Und in diesem Saurier finden Saurierausstellungen statt.
Es ward zum letzten Mal vernünftig Licht
Heute war der letzte Tag der 75-Watt-Birne. Ab heute dürfen nur noch Lagerbestände verkauft werden, und dann ist es sehr schnell aus mit der 75-Watt-Birne. Die unerbittlichen Technokraten in Brüssel wollen es so. Für mich ist das besonders schmerzlich, denn ich besaß in meinem ganzen Leben keine 75-Watt-Birne. Ich hatte wohl einfach keine Lampe, die ein solches Leuchtmittel unbedingt erforderte. Es wäre Wahnsinn gewesen, die Birne einfach aussterben zu lassen, ohne sie jemals kennengelernt zu haben, und deshalb habe ich mir noch schnell eine gekauft. Meine erste und wahrscheinlich meine letzte 75-Watt-Birne. Ich schraubte sie in meine Nachtischlampe und war sofort wie verzaubert. Die Birne verbreitete ein wunderschönes Licht. Nicht auszudenken, wenn ich dieses Licht niemals gesehen hätte. 75-Watt-Licht ist wie kein anderes Licht auf der Welt. Es scheint nicht so hell wie 100 Watt, aber intensiver als 60 Watt. Dieses Licht wird bald für immer verschwunden sein.
Vielleicht sieht man es aber noch auf einem anderen Planeten. Wir nehmen ja auch das Licht von Himmelsköpern wahr, die schon längst verglüht sind. So wird es auch mit dem 75-Watt-Licht sein. Jedes Licht, das wir hier auf der Erde angemacht haben, ist für immer im kollektiven Gedächtnis des Weltalls gespeichert. Des Weltalls, das ja möglicherweise nur der Magen eines Sauriers ist. Wieviele 75-Watt-Birnen braucht man wohl, um den Magen eines Sauriers zu beleuchten? Und weiß Google eigentlich, was sie da die ganze Zeit so eifrig fotografieren?
2010
September
Arglistige Täuschung
Der Sender Sat1 versucht, mein Interesse auf seine neueste Großproduktion zu lenken. Allerdings befürchte ich, schwer enttäuscht zu werden, denn in dem Monumentalepos »Die Wanderhure« geht es anscheinend gar nicht um Hape Kerkeling.
Unhappy Triad
Das Knie gehört zu den unterschätztesten Körperteilen des Menschen. In den meisten Fällen steht es für Spott und Hohn und Leiden. Man ist »ins Knie geschossen« oder »ins Knie gefickt« oder soll sich »ins Knie ficken«, was nicht leicht und eigentlich auch schmerzhaft ist. Man kniet nieder, man bittet jemand auf Knien, man rutscht vor jemand auf den Knien, man muss sich in eine Sache richtig reinknien. Sobald das Knie ins Spiel kommt, wird es anstrengend, unangenehm, schmerzhaft.
Von allen Beinregionen ist das Knie am wenigsten sexy, von knackigen Knien oder strammen Knien redet niemand. Es ist zweifelhaft, ob es sowas wie Kniefetischismus gibt. Man stelle sich nur jemand vor, der ausschließlich Knieporträts von Prominenten sammelt. Im Wort Knie klingt schon das Knicken, das Knacken, das Knarzen an.
Als Kind bin ich oft aufs Knie gefallen, und dann wurde ein Pflaster über die Wunde geklebt. Das Abreißen war immer sehr unangenehm, die Pflaster der 60er Jahre hafteten ziemlich hartnäckig auf der Haut. Das hat mein Verhältnis zum Knie sicher getrübt. Ich habe bestimmt keine positive Einstellung zu meinen Knien. Wahrscheinlich ist es deshalb passiert. Vor Wochen stürzte ich mit dem Fahrrad. Dabei erhielt ich auch einen seitlichen Schlag gegen mein rechtes Knie, das anschließend ziemlich dick wurde. In einem zugigen Altbautrakt eines Frankfurter Krankenhauses erklärte mir ein Oberarzt, bei meiner Verletzung handele es sich um eine »Unhappy Triad«. Das ist nicht der Name einer depressiven chinesischen Mafia-Gruppierung, sondern beschreibt eine dreifache Schädigung des Knies. Seitenbänder, Kreuzband und Meniskus hatten etwas abgekriegt.
Die Seitenbänder waren definitiv durch, das Kreuzband wohl auch, der Meniskus möglicherweise gerissen. Genaueres würde man nur bei einer Spiegelung, einer Athroskopie erkennen, und wenn man schon mal drin war, würde man auch alles gleich reparieren. Dazu entnimmt der Arzt dem Bein eine Sehne, von der die Wissenschaft annimmt, dass der Mensch sie nicht braucht. Diese Sehne wird dann
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