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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Landstreifen, auf dem man dann westwärts ziehen wollte, nach Danzig.
    Felix Baum kam am zweiten Tag von einem weiten Ausflug zurück. Der Treck hatte mitten auf dem Eis übernachten müssen … es ging nicht mehr. Die Pferde stolperten über ihre eigenen Beine, drei Wagen stürzten dadurch um, vier Räder brachen. Man mußte die Wagen aufgeben, liegenlassen und sie auf andere Fahrzeuge umladen. Nur das Wichtigste, das Leben im Rohzustand: Ein paar Betten, Kissen, Decken, Töpfe, ein Herd. Schluß!
    »Wir kommen bei Pröbbernau auf die Nehrung«, berichtete Baum, »wenn wir die Richtung weiterziehen. Aber von Kahlberg ist ein anderer Treck unterwegs und von Elbing zieht ein ganzes Heer herauf. Das ganze Gebiet um Elbing ist auf den Beinen! Die größte Scheiße aber: Vor Danzig steht schon der Russe!«
    »Dann sind wir abgeschnitten.« Der junge Oberleutnant betrachtete die Karte, die auf seinen Knien lag. »Rundherum Russen. Nur die Ostsee ist noch frei.«
    »Sollen wir nach dem Westen schwimmen?« sagte Jochen Kurowski leise. »Ich geh zurück zu meiner Berta und leg mich daneben.«
    »Wir kommen durch, verflucht nochmal!« Paskuleit hieb mit der Faust gegen die Wagenwand. »Was ist mit der Weichselmündung, Oberleutnant?«
    »Daran denke ich auch. Aber wir müssen schneller sein als die sowjetischen Panzer. Wenn wir riesiges Glück haben, ist die Weichselmündung nur mit Treibeis bedeckt, und wir finden ein paar Boote.« Er faltete die Karte zusammen, – es war zu trostlos, ihre Lage auch noch gedruckt zu sehen. »Leute, weiter! Zur Weichsel! Erst dort können wir sagen: Alles im Eimer! Oder auch nicht!«
    Die Adamsverdrusser zogen weiter. Sie ließen auf dem Haff sieben Wagen zurück. Nur leichtes Gepäck, hieß es. Das Leben ist wichtiger als ein Eichenschrank und ein blankgeputzter Herd. Wir müssen schneller werden. Von allen Seiten drängten die sowjetischen Divisionen durch Ostpreußen. Königsberg war eingeschlossen, über Hunderte von Kilometern brannten die Dörfer, türmte sich ein Berg von Greueln auf, machte man Jagd auf die Frauen. Der berühmte russische Dichter Ilja Ehrenburg schwelgte in einem Aufruf an die sowjetischen Truppen in der Vernichtung alles, was deutsch war.
    Der Treck erreichte die Nehrung tatsächlich bei Pröbbernau. Von hier zog er weiter nach Westen, über Vogelsang, Bodenwinkel, Stutthof nach Steegen. Hier kreuzte die Straße von Elbing über Tiegenhof und die Elbinger Weichsel. Der große Treck saugte die Adamsverdrusser auf. Ein einziger Satz trieb Tausende vorwärts, ein Gerücht, das jeder als Wahrheit nahm, weil es das Leben bedeutete: Bei Nickelswalde, in der Weichselmündung, liegen noch drei Frachtschiffe.
    O Gott im Himmel – drei Schiffe!
    Ein dicker, schwarzer, endloser Wurm, so wälzte sich der Treck zur Weichsel. Und in diesem Wurm fuhr eine intakte deutsche Truppe in Regimentsstärke mit einem vollständigen Divisionsstab, der das Pech gehabt hatte, seine Division zu verlieren. Die Russen waren schneller gewesen. Sie schlossen die Division ein, aber der Stab war draußen. Nun zog er auch zur Weichsel, weil es sinnlos war, mit einer Schar Offizieren, Schreibern und einem voll besetzten Feldgericht gegen T34 anzurennen.
    Aber die militärische Alltagsarbeit, dieser sture preußische Kasernengeist, blühte auch jetzt im Stadium der Auflösung. Jeden Morgen gab es Truppenappell, wurden die Kompanien strammstehend gemeldet. Während eines Ruhetages bei Pasewark setzten zwei Kompaniechefs sogar Gewehrgriffübungen an und Stiefelappell.
    Hier in Pasewark geschah es auch, daß ein Oberfeldrichter, der einen Teil des Trecks an sich vorbeiziehen ließ, den Oberleutnant mit dem Ritterkreuz auf dem Kutschbock von Pfarrer Heydickes Wagen sitzen sah. Er sah den jungen Offizier an, winkte dann und brüllte: »Kommen Sie mal her!«
    Der Oberleutnant sprang vom Bock. Paskuleit, der als nächster vorbeifuhr, hörte noch, wie der Oberfeldrichter schrie: »Was sagen Sie da?! Wo ist Ihre Truppe?! Sie Hundsfott! Mitkommen!« Dann sah er, wie beide in einen Horchwagen stiegen und nach vorn fuhren. Paskuleit warf die Zügel Busko zu und rannte nach vorn zu Heydicke.
    »Herr Pfarrer!« schrie er. »Da braut sich was zusammen! Sie haben unseren Oberleutnant mitgenommen! Herr Pfarrer! Helfen Sie! Ich übernehme Ihren Wagen!«
    Pfarrer Heydicke sprang vom Bock, saß hinten bei Felix Baum auf und brauste mit ihm dem Horch nach. Am Abend kamen sie zurück. An ihren Augen sahen alle, daß etwas

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