Aus dem Nichts ein neues Leben
Geschäfte baute. »Jetzt ist es 'raus«, sagte Hübner kleinlaut. »Hinter allem steht Ellerkrug. Noch weiß die Branche nicht, was sich da abspielt, aber es müssen tolle Dinge sein.«
»Dann los gegen Ellerkrug!« brüllte Runzenmann.
»Sinnlos. Heinrich Ellerkrug ist eine integre Person.«
»Kein Mensch ist ohne Staubkorn auf der Weste.«
»Aber bei Ellerkrug ist es mikroskopisch klein, – man sieht nichts. Mein lieber Runzenmann, – mit den sieben neuen Läden verfügt die ›Westschuh‹ über eine Ladenkette von elf Geschäften. Es kommen noch mehr dazu, verlassen Sie sich drauf. Kurowski wird in unserer Branche das, was Kaisers und Tengelmann bei den Lebensmitteln ist. Ich habe deshalb beschlossen, mit Kurowski zusammenzuarbeiten …«
»Was haben Sie?« schrie Runzenmann. »Sie Verräter!«
»Es geht um meine Existenz, Runzenmann. Ich werde mich Kurowski anschließen. Mit mir hat Kurowski dann fünfzehn Geschäfte.«
Er legte auf, ehe Runzenmann einen Sack voll Beleidigungen über ihn ausschütten konnte.
Die Entnazifizierungswelle aber war nicht aufzuhalten. Kurowski war in die Mühle geraten, – nun mahlte sie. In der Schule prügelten sich Ludwig und Peter mit ihren Kameraden herum, die immer »Nazi! Nazi!« riefen, und die kleine Inge hatte plötzlich keine Freundinnen mehr und saß an ihrem Geburtstag, zu dem sie die halbe Klasse eingeladen hatte, allein und weinend an dem festlich gedeckten, von Kerzen erleuchteten Tisch. Es war Inges 8. Geburtstag.
»Heul nicht, Rehchen«, sagte Kurowski krampfhaft fröhlich. »Die 8 ist bei den Kurowskis keine Unglücks-, sondern eine Glückszahl. Wie lautet unser Spruch?«
»Wir lassen uns nicht unterkriegen …«, schluchzte Inge. »Aber wer soll jetzt die ganzen Kuchen essen, Papi?«
»In einer halben Stunde ist alles kahl, das verspreche ich dir!«
Kurowski ging zum Telefon und rief Franz Busko an. Seit einem Monat saß Busko hauptamtlich in der Parteileitung, fuhr herum, hielt Rede an Rede, die im Grunde alle gleich waren, aber immer Erfolg hatten, weil sie das sagten, was alle dachten, nämlich: Es muß alles besser werden! – und rechnete damit, als Abgeordneter in ein Parlament zu kommen, wenn es jemals wieder so etwas wie einen Reichstag oder ähnliches geben würde. Busko hörte sich Kurowskis Vorschlag an, sagte: »Sofort, Meester!« und wurde tätig. Nach einer halben Stunde – wie versprochen – hielt ein großer Bus vor dem Haus Nordstraße 34. Vierzig Kinder aus dem Waisenhaus kletterten heraus, Feldblumen in den Händen, gratulierten der sprachlosen Inge und stürzten dann über Kuchen und Kakao her. Es wurde eine der schönsten Geburtstagsfeiern, die Inge bisher erlebt hatte. Die Kinder aus dem Waisenhaus, die auch einen Kinderchor bildeten, sangen ihr Repertoire herunter, auf der Straße blieben die Leute stehen, Reporter der Zeitungen und sogar ein schnell alarmierter Berichter des Westdeutschen Rundfunks aus Köln (Busko hatte an alles gedacht) sorgten für Popularität. Nicht für Kurowski, sondern für Franz Busko … den Initiator von glücklichen Waisenhauskindern.
»Verdammt, er ist gar nicht so ein dämlicher Hund«, sagte Kurowski am nächsten Morgen anerkennend zu Erna, als er die Zeitungen durchblätterte. »Wenn ich mich erinnere, wie er in Adamsverdruß auf 'n Schusterschemel saß und Zwicken 'reinkloppte. Der Busko wird uns noch alle überrunden … wenn er mit seiner Partei bloß nicht auf die Schnauze fällt …«
Die Berufung ging aus wie das Hornberger Schießen … es kam nichts dabei heraus, Kurowski blieb eingestuft, und er schaffte es spielend, die Spruchkammerangehörigen so zu beleidigen, daß man ihm drei Beleidigungsklagen an den Hals hängte. Sie wurden als Sammelverfahren behandelt, und da es sich um politische Beleidigungen handelte, griff sogar der Staatsanwalt ein und erhob Anklage vor einer Strafkammer.
Kurowskis erbitterter Ausruf: »Vor politischen Idioten verantworte ich mich nicht … ich gehe nach Hause! Ihr Urteil hänge ich auf den Lokus!« erfüllte mehrere Tatbestände.
Sieben Rechtsanwälte wurden beschäftigt, Busko konnte seine Partei nicht einschalten, das wäre jetzt völlig falsch gewesen, Ellerkrug blieb in Leverkusen und tröstete Erna, denn Kurowski entwickelte sich wie sein Schwager Paskuleit: Er schlug um sich, wo man ihn schief ansah.
»Der ist fertig!« jubelte Runzenmann. »Der ist fertig! Und mit Ellerkrug arrangiere ich mich. Aber alles, was Kurowski oder Paskuleit
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