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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kurowski faltete die Vorladung säuberlich zusammen und steckte sie in die Brieftasche. »Ich werde denen von der Spruchkammer mal erzählen, wie man bei 50 Grad Frost hundert Jahre alte Birken fällen kann.«
    Es wurde alles ganz anders, als Kurowski es erwartet hatte.
    Die Spruchkammer, aus Laienrichtern und erwiesenen Antinazis zusammengesetzt, unabhängig, neutral, objektiv, aber auch nur geradeaus sehend und nicht nach links oder rechts und schon gar nicht nach rückwärts, vor allem aber mit drei Stammtischfreunden von Runzenmann bestückt, ließ Kurowski gar nicht zu Wort kommen. Was in Sibirien gewesen war, interessierte gar nicht … aber was 1938 Kurowski bewogen hatte, Kreishandwerksmeister von Ortelsburg zu werden, das war wichtig und verwerflich. Holzfäller in der Taiga, das war eine Kriegsauswirkung, aber Handwerksmeister unter Hitler und Arbeitsfront, das war freiwillig.
    Nach einer Sitzung von einer halben Stunde verließ Ewald Kurowski das Sitzungszimmer als Nazi Gruppe III. Er war nicht niedergeschlagen oder bis zum Zerplatzen wütend, sondern nur traurig. Busko, Ellerkrug und Erna, die als Zuhörer in der öffentlichen Verhandlung hinten an der Wand gesessen hatten, stürzten auf den Flur hinaus und nahmen Kurowski in ihre Mitte.
    »Meester, zum letzten Mal – das Parteibuch unserer Partei!« sagte Busko. Er war blaß geworden. Gruppe III – das bedeutete Berufsverbot, bis man sich darüber im klaren war, ob Kurowski ein guter Demokrat und Deutscher geworden war.
    »Leck mich am Arsch mit deiner Partei!« knurrte Kurowski, stellte sich ans Fenster und blickte hinaus auf die Stadt. Überall standen noch die Ruinen der Häuser, aber überall wuchsen auch die Baugerüste in den Himmel. Aus den Trümmern wuchs eine neue Zeit. »So etwas ist in diesem Deutschland möglich?« sagte er leise.
    »Nur in Deutschland!« Ellerkrugs Stimme war heiser vor Verbitterung. »Wir machen immer alles 200prozentig. Die Diktatur, die Demokratie. Der Deutsche ist sich selbst immer der beste Feind. Es bedarf eigentlich gar keiner Kriege, – der Deutsche vernichtet sich immer selbst. Die Umwelt braucht nur Geduld zu haben und zu warten. Wenn das so weitergeht, Ewald, beißen wir uns in 20 oder 30 Jahren wieder selbst in den Arsch.«
    »Jetzt kommt es erst auf morgen an, Heinrich.« Kurowski drehte sich um. Die Richter der Spruchkammer verließen das Sitzungszimmer. Als sie an Kurowski vorbeigingen, starrten sie bewußt geradeaus. »Ich gehe in die Berufung.«
    »Und ick übanehme die Jeschäfte, Meester!« rief Busko. »Ick habe drei Schuhmacher in der Partei, – die helfen mir gern!«
    »Sie können die Läden gar nicht schließen!« sagte auch Ellerkrug. »Schließlich bin ich ja Mitinhaber.«
    »Aber ich lasse mich nicht einfach kaltstellen!« Kurowski faßte Erna unter. Sie kämpfte mit den Tränen, aber sie war so tapfer, nicht zu weinen.
    »Komm, Mutter –«, sagte er. »So was kann mich nicht mehr erschüttern. Da krempele ich bloß die Ärmel hoch …«
    Aber mit dem Hochkrempeln war's allein nicht getan … die Berufungsverhandlung fand erst im September statt, und bis dahin konnte Kurowski Spazierengehen. Er tat es gründlich … er fuhr nach Köln und Düsseldorf, Krefeld und Solingen, Wuppertal-Elberfeld und Remscheid. Überall wuchsen neue Städte aus den Ruinenbergen, es war wie zu den Goldgräberzeiten in Amerika, die Menschen strömten vom Land in die Ballungszentren, wie man es amtlich so schön nannte, die Neubauten schoben sich über die alten Randgebiete hinaus.
    »Die Zeit des Barfußlaufens ist seit einigen Jahrhunderten vorbei«, sagte Ende August Kurowski zu Ellerkrug, der aus Pirmasens herübergekommen war. Er fuhr jetzt – wie Kurowski – einen weißen Mercedes und baute sich ein Landhaus. »Schuhe, Kleidung und Essen … das gehört zusammen. Heinrich … wir werden alles Geld zusammenkratzen, Bankkredite aufnehmen und in sieben anderen Städten Geschäfte aufbauen! Ich habe mich umgesehen, – mit unseren italienischen Schuhen sind wir unschlagbar.«
    »Und noch etwas –«, sagte Ellerkrug stolz. »Es ist mir gelungen, mit der Schuhfabrik Fabbrizi in Pisa ein Abkommen zu unterzeichnen: Wir bekommen von Fabbrizi die Modelle und Leisten, das Leder und die Lacke und bauen das ganze in Pirmasens zusammen. Lizenzherstellung. In zwei Jahren tut uns kein Zahn mehr weh …«
    Es war für Runzenmann fast ein tödlicher Schlag, als er erfuhr, daß die ›Westschuh‹ in sieben Städten neue

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