Aus dem Nichts ein neues Leben
Tür auf und stürzte ins Zimmer, als Marion Hellbaum gerade sagte:
»Das läßt du dir gefallen, Liebling? Daraus würde ich jetzt die Konsequenzen ziehen …«
»Das wird er auch!« brüllte Ellerkrug sofort los. Er umfaßte mit einem Blick die Situation. Diese schöne Frau – verdammt, hat der Ewald einen Geschmack, aber nur zur falschen Zeit! – noch immer auf dem Bett, hingelegt und drapiert wie für einen Werbeprospekt ›Hier hört das Altern auf‹, und an der Balkontür Kurowski, mit geröteten Augen und von erbarmungswürdiger Hilflosigkeit. »Noch einer, der Ohrfeigen verteilt?« sagte Marion mit einem impertinenten Klang in der Stimme. Sie sprang vom Bett und baute sich zwischen Ellerkrug und Kurowski auf. »Wieviel kommen noch? Wie groß ist die Verwandtschaft? Auch Onkel und Tante und Opa?!«
»Das wünschen Sie sich nicht!« Ellerkrug winkte Kurowski zu. »Wenn hier Opa Jochen oder Paskuleit ständen, hätten Sie ein ostpreußisches Unwetter mit Baumentwurzeln und Dächerabdecken erlebt. Ewald, können wir nicht allein miteinander sprechen?«
»Ich lasse Ewi nicht mehr allein …«, fauchte Marion Hellbaum dazwischen.
»Wer ist Ewi? Du, Ewald? Mein Gott!« Ellerkrug lachte dröhnend. Er wußte: Nichts tötet mehr als die Lächerlichkeit. »Ewi! Zum Brüllen! Das könnte ein Dackel sein. Ewi, komm, komm … mach schön, gib Pfötchen … Ewi, laß das Beißen sein …«
»Du blöder Hund!« schrie Kurowski. Ellerkrugs Auftreten gab ihm viel von seiner Haltung wieder. »Ich? Heiße ich Ewi?«
»Sie sind ein widerlicher Mensch!« Marion Hellbaum warf sich zu Kurowski herum. Es war fast eine sportliche Leistung, so blitzschnell geschah das. »Wirf ihn hinaus, Liebling. Es ist dein Zimmer, und du bist hier Hausherr. Oder soll ich Alarm klingeln?«
»Das ist ein Vorschlag. Ewi, mach Alarm! Damit das ganze Sanatorium sieht, daß Gewichtsabnahme nicht allein von Diät kommt …«
Er ließ sich in einen der Sessel fallen, schlug die Beine übereinander und lächelte die vor Zorn bebende Marion freundlich an.
»Sehen Sie, gnädige Frau«, sagte Ellerkrug formvollendet, »Ewald ist ein totguter Kerl. Er hat noch nie seine Frau betrogen, und wenn ich ihn mir so betrachte – Ewald, halt die Klappe! – und Sie in seinem Zimmer sehe, dann möchte ich daran glauben, daß Ewald das Opfer eines Abenteuers ist, das man in Fachkreisen ›Kurschatten‹ nennt. Er kennt so etwas nicht … mit mir hätten Sie fröhlichere Stunden gehabt, gnädige Frau!«
»Ich hasse Sie!« sagte Marion Hellbaum steif. »Sie sind ein Mann, der eine Frau von jeglichem Gedanken an einen Mann heilen kann.«
»Das wäre ein Verlust für uns alle!« Ellerkrug verbeugte sich im Sitzen. »Um sich von meinem Anblick zu befreien, genügt es, wenn Sie hinausgehen …«
»Mit Flegeln streite ich mich nicht.« Marion Hellbaum ging zum Spiegel, ordnete ihre herrlichen schwarzen Haare und beobachtete durch den Spiegel Ellerkrug und Kurowski. Als sich beide nicht rührten, fuhr sie wieder herum und blitzte Ellerkrug an. Ihre fast schwarzen Augen glänzten vor Zorn.
»Um es vorweg zu sagen: Ich bin finanziell unabhängig. Ewalds Ladenkette interessiert mich nicht. Es ist also eine Fehlannahme, wenn Sie in dieser Richtung denken.« Sie wandte sich zu Kurowski und lächelte ihm zu. Verdammt, durchfuhr es Ellerkrug, sie liebt ihn wirklich. Das habe ich nicht einkalkuliert. Die Sache wird kompliziert und brennendheiß.
»Behalt den Kopf, Liebling«, sagte sie und ging. Ellerkrug wartete, bis die Tür ins Schloß fiel, dann sah er Kurowski an, schüttelte den Kopf und tippte sich an die Stirn.
»Du Riesenrindvieh!«
»Ist das alles, was du zu sagen hast?« knurrte Kurowski.
»Du Vollidiot!«
»Hier rumsitzen und dämlich reden, kann jeder.« Kurowski tappte durchs Zimmer. Er kam sich elend vor. Marions Parfüm lag noch im Raum, schwer und süß. »Was macht Erna?«
»Was sie noch machen wird, kann ich mir denken. Aber was du dann machst, ist mir nicht klar.«
»Es wird schon schief gehen, Heinrich.«
»Nein, so einfach ist das nicht. Wenn du früher einen Absatz schief draufgenagelt hast, konnteste den wieder abreißen …«
»Erna ist kein Absatz!«
»Eben! Erna ist die wundervollste Frau, die ich kenne …«
»Das weiß ich. Warst ja auch Tag und Nacht hinter ihr her.«
»Und hat sie's getan? Nein! Sie hat auf dich gewartet. Und du gehst hin …« Ellerkrug beugte sich vor. »Eine schöne Frau, diese schwarze Katze. Gebe ich zu.
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