Aus dem Überall
nachdenklich, als sie ihre erste Rast einlegten. Der Hang war sehr steil. Einen Augenblick lang riß der Nebel auf, und sie konnten über das Wasser sehen. »Sehen Sie, da unten ist der andere, der kleine Eisberg, der ihm auf dem ganzen Weg gefolgt ist.«
Der herrenlose Eisberg lag ein paar hundert Meter entfernt angeseilt und glitzerte an der Sonne.
»Der sieht wirklich ziemlich schmutzig aus, da muß ich Paula recht geben.«
»Wahrscheinlich nur eine Lage alter vulkanischer Asche«, sagte Tim zu ihr. »Was schreien die denn alle so, da hinten?«
Der Mann auf dem Schelf rief den anderen, die hinter den Klippen nicht zu sehen waren, etwas zu. Auch der Hubschrauberpilot watete gerade durch das Wasser zu ihnen.
Inzwischen waren die drei vor ihnen an einem Punkt angelangt, von dem aus sie in den großen, flachen, unregelmäßig geformten Krater sehen konnten.
»Schaut mal, da!« rief Paula. »Da kommt eine – eine Wolke!«
Enggis Körper reflektierte nur wenig sichtbares Licht oder Hitze und war im Vergleich zum Krater selbst auch nicht gerade groß. Als sich Teile von ihm aus ihrer eisigen Matrix lösten, nahmen die Menschen nur etwas wahr, das wie eine besonders dichte und abgegrenzte weiße Kumuluswolke in Walgröße aussah. Allerdings gab er ein ansehnliches Spektrum an UV- und Mikrowellen ab; die Verwirrung unter den Arbeitern wurde ausgelöst, weil ein großer Teil der elektronischen Ausrüstung überladen wurde und zusammenbrach, als Enggi in ihre Reichweite geriet.
Die kleine Wolke zog auf und nieder und schaukelte hin und her, ein herrliches weißes Prisma in der Sonne. Und während sie näherkam, bewegten sich die drei Menschen, ohne es zu merken, immer weiter auf den Kraterrand zu, um ihr zu begegnen.
Sie waren nur von einem ganz allgemeinen frohen Gefühl erfüllt – dem Gefühl von Richtigkeit, Wärme, Willkommen vielleicht. Und zwei von ihnen könnten einen kurzen, sanften Ruck der Vereinigung gespürt haben, aber nichts Greifbares. Es läßt sich nicht in Worten ausdrücken, was für ein Gefühl es ist, wenn ein Teil eines Aspekts oder einer Persönlichkeit – ein Bruchteil dessen, was eine Gesamtheit, eine Person dargestellt hat – plötzlich entweicht. Es stellt sich keine ›Leere‹ ein, denn was vielleicht als leer empfunden werden könnte, ist einfach nicht mehr vorhanden. Das einzige ›Gefühl‹, das bei den drei Menschen zurückblieb, war eine Art Freude, als Enggis Freude über die Wiederfindung seines Ichs die momentane Verbindung übersprang und die zurückgelassene Matrix, die ihn beherbergt hatte, erfüllte. Weder Paul noch Gloria trugen Verletzungen davon oder nahmen sonstwie Schaden; schließlich waren sie gesund und bereits erwachsen, als sie von Enggis letzter verzweifelter Transmission ereilt worden waren.
Aber Paula – Paula, die doch gerade erst geboren war …
Paul und Gloria kniffen die Augen zusammen, um ein vorübergehendes Gefühl der Desorientierung zu überwinden; als sie sich umdrehten, sahen sie, daß das Mädchen ein wenig auf die Seite gegangen und auf den Vorsprung des Kraters hinausgetreten war, so daß die merkwürdige, schneeige Erscheinung sie fast zu berühren und zum Strahlen zu bringen schien. Sie stieß einen durchdringenden lautlosen Schrei aus, und dann schien sie um ihre Zurückgewinnung oder Selbsterhaltung zu kämpfen; ihre kleinen Arme schlangen sich fest um den eigenen Körper. Dann warf sie den Kopf zurück und kreischte und schrie fast befehlend: »Nimm mich auch! Nimm mich mit!«
In diesem Augenblick fand Paul seine Stimme wieder, wenn es auch nur ein Krächzen war: »Nein! Nein, Paulie!«
Aber im selben Augenblick geschah etwas anderes. Wie von einem unsichtbaren Band mit einem Ruck fortgezogen, wich die herrliche Erscheinung, die über dem Mädchen hing, sichtlich vor ihm zurück, wandte sich von ihm ab und lenkte seine gesamte Energie so unmittelbar von ihm fort, daß sich alle nach ihm umdrehten.
Und da sahen sie es.
Über der Spitze des kleinen, herrenlosen Eisbergs stieg eine neblige graue Erscheinung auf, schlängelte sich geradezu heraus. Eine Art Tentakel streckte sich ihnen entgegen und erblühte an seine Spitzen zu etwas fast Sichtbarem und absolut Faszinierendem – eine große, rauchige Blume, mit Sternen geschmückt, so eindringlich und strahlend blau wie der Sommerhimmel.
Das war es, was Enggi gespürt hatte und von dem er sich jetzt so stark angezogen fühlte, mit jeder Faser seiner unschuldigen Neugier. Was … was
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