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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Sie hatten geplant, die Zeit im Planetenschatten zu verkürzen, indem sie auf einen Orbit in der Nähe des Äquators gingen und möglichst viel Licht einfingen; die Rotationsachse des Planeten lag fast parallel zur Ekliptik. Und die Calhoun war unterwegs zu einem Rendezvous mit ihnen, um Sauerstoff und Regeneratorkomponenten zu übergeben. Den Eisblock hätten sie, wenn auch nicht mehr effizient, in Sauerstoff aufspalten können. Keine Krise, aber relativ ungemütliche Aussichten.
    Nun bekam sie Angst bei dem Gedanken, was wohl das absolute Vakuum mit dem System angerichtet hatte. Sie mußte sich überwinden, um nachzusehen. Es gab Schäden – einige Tabletts hatten braune Ränder. Aber es war nicht alles verloren, wie sie befürchtet hatte. Wenn sie die Notlampen einschaltete, konnten die Pflanzen einen Teil ihres CO2 verarbeiten. Sie zählte zweimal die Sauerstofftanks und überprüfte den hochkomprimierten Schiffsvorrat.
    Die Antwort entsprach ziemlich exakt ihrer Schätzung – Sauerstoff für maximal 140 Tage. Zehn Wochen.
    Wahrscheinlich würde sie die CO2-Zunahme schon vorher benommen machen, wenn sie keine Hilfe bekam.
    Zuerst mußte sie alle möglichen Lichtquellen auf die richtige Wellenlänge für die Tanks einstellen. Sie suchte Filter und Stromkabel heraus und baute überall, wo sie es entbehren konnte, die Lampen aus, bis sie die Tabletts möglichst gut ausgeleuchtet hatte. Sie fand sogar ein Paket mit wahrscheinlich schon lange toten Kultur-›Samen‹ und pflanzte zwei tote Tabletts neu an.
    Sie brauchte Stunden dazu, vielleicht Tage; sie beachtete die Zeit nicht, sondern hielt nur inne, um zu essen oder zu trinken, wenn sie unbedingt mußte. Die Tabletts waren groß und schwer, und sie war müde. Aber sie fühlte nichts als Freude – Freude an ihrer absoluten Freiheit. Zum erstenmal seit Jahren war sie allein und ohne Kontrolle. Aber da war noch mehr: zum erstenmal im Leben war sie wirklich und für immer frei, niemand außer sich selbst Rechenschaft schuldig. Allein und frei zwischen ihren geliebten Sternen.
    Als sie fertig war, viel zu müde, um sich selbst und die Calgary aufzuräumen, taumelte sie nach einem kalten Mahl auf die Pilotencouch zurück und aß und starrte zu den Sternen hinaus, die durch die stabilisierte Kamera zu sehen waren.
    Es reichte nicht. Sie wollte alles. Sie brauchte sich nicht vor dem physischen Verfall unter Schwerelosigkeit zu fürchten.
    Sie schlief im Pilotensessel ein und plante im Einschlafen.
    Während der nächsten beiden Erdentage säuberte sie das Schiff in jeder Minute, die ihr ihre Hauptaufgabe ließ: Sie mußte die Rotation stoppen, die der Calgary ihre ›Schwerkraft‹ gab. Sie benutzte dazu so wenig Energie wie möglich und ließ jeden Schubstoß seine volle Wirkung entfalten, ehe sie den nächsten auslöste.
    Die Sterne draußen verwandelten sich von einem flimmernden grauen Wirbel in Streifen, die immer kürzer wurden, sich beruhigten und schließlich als Lichtpunkte in der ewigen Nacht stehenblieben.
    Ihre Justierungen waren sehr genau. Am Ende mußte sie kaum noch bremsen. Die hellen Flecken und Streifen schrumpften und wurden heller, bis sie mit einem wahrnehmbaren Ruck stehenblieben. Sterne in allen Farben und Helligkeiten, dunkle und helle Wolken, Galaxien – unendlich weit hintereinander gestaffelt, ein prächtiges Universum.
    CP wanderte durchs Schiff und öffnete jedes Bullauge, das sie finden konnte. Die Calgary hatte viele, denn ursprünglich war sie Fährschiff zum Mars gewesen, früher, als es den Menschen noch wichtig gewesen war, mit eigenen Augen nach draußen zu sehen. Die Calgary hatte sogar Stummelflügel, die seit wer weiß wie langer Zeit nicht mehr benutzt worden waren.
    Sie mußte wieder aufräumen, als die Schwerkraft nachließ und die Gegenstände schwebten. Aber CP hielt an jedem Bullauge inne und ergötzte sich schweigend an den Wundern und der Schönheit. Ihr eigenes, elendes Spiegelbild im Vitrex machte ihr Sorgen; bald hatte sie auch die letzten Lichter abgeschaltet, so daß die Calgary ein dunkler, nur von Sternen erleuchteter Raum in der ewigen Nacht war.
    Vor der Calgary lag im Grunde nichts. Sie flog zum galaktischen Norden, wo es nur wenig, weit voneinander entfernte Sterne gab. Nicht einmal kosmischer Staub war in Reichweite eines Menschenlebens. Das machte ihr keine Sorgen. Sie schaltete die Scanner im Bug aus und betrachtete freudig die reicheren, wundervollen Sternenfelder zu beiden Seiten.
    Auch die

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