Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
Vom Netzwerk:
Wahrscheinlichkeit verbog sie sich nicht und brach nicht, sie traf auf keinen Knochen und kein Plastik, sondern ging durch den Anzug, den er übergestreift hatte, durch die Außenhülle, durch die Haut und innere Organe, und dann fanden CPs unbeholfene, durch die Handschuhe behinderten Finger den Abzug, und ihre verängstigten Muskeln entwickelten unglaubliche Kräfte. Die Ladung schoß direkt in Leber und Magen und drang bis in die Wand seiner Nierenvene vor. Der Stich war so sauber, daß Meich ihn vielleicht gar nicht mehr fühlte. Er wußte nicht, daß er in wenigen Sekunden wirklich und endgültig tot sein würde – aber die Sekunden dehnten sich.
    Er hatte ihre Luftschläuche abgerissen, und sie hatte nun, bis auf die winzige Menge, die im Helm und im Anzug war, keine Luft mehr. Er klammerte sich mit Armen und Beinen an sie. Sie begann zu würgen, während sie sich in seinem verzweifelten Griff wand. Sie geriet in Panik und konnte nicht verstehen, was geschah. Die Wucht ihres Gegenschlages hatte sie herumgewirbelt; sie wand sich verzweifelt und sah schließlich den Lufttank, den er festhielt, und das Schlauchende, aus dem er atmete.
    Es dauerte kostbare Augenblicke, bis sie begriffen hatte, daß sie ihren Gesichtsschutz öffnen mußte, um den Luftschlauch an ihren Mund zu bekommen.
    Irgendwie schaffte sie es zwischen seinen hämmernden Schlägen und seinen suchenden Armen, die Scheibe hochzuklappen. Sterbendes Mädchen kämpft mit sterbendem Mann um den Luftschlauch. Sie konnte seine Finger nicht losreißen, obwohl sie ihm einen Knochen brach. Aber die tödliche Spritze tat ihre Wirkung – schließlich knallte sie ihm ihren Helm vor den Kopf und konnte die Luft einatmen, die aus seinem Schlauch zischte.
    In einem letzten, haßerfüllten Aufbäumen versuchte er, den Lufttank wegzuschleudern, damit sie ihn beide nicht erreichen konnten. Aber der Tank prallte vor ihren Körper, und sie hielt ihn fest.
    Und dann war es vorbei, endlich war es wirklich vorbei. Meich lag grotesk zusammengesunken vor ihren Füßen, gegen Dons Koje gelehnt.
    Es dauerte unendlich lange, bis sie zu zittern aufhörte. Sie übergab sich zweimal und besudelte sich, aber da das Schlauchende freiblieb, atmete sie nichts ein. Sie starrte und starrte, ob sich einer der beiden zweimal gestorbenen Männer noch einmal rührte. Nur die Furcht, daß die unkontrolliert ausströmende Luft, die kostbare Luft, ausgehen könnte, brachte sie wieder zu Sinnen.
    Ihre Finger waren fast überfordert, als sie die Schläuche wieder einsetzte und den beschädigten durch einen neuen ersetzte. Sie wischte ihre Sichtscheibe ab und schloß den Helm. Sie mußte eine Weile in ihrem Erbrochenen leben und arbeiten, aber das fand sie angemessen.
    Und sie hatte noch so viel im Vakuum zu tun, ehe sie die Calgary wieder verschließen konnte. Es wurde jetzt sehr kalt.
    Sie hatte eine Nachricht abzuschicken, und sie wollte alle Erinnerungen an die Männer beseitigen, bevor sie wieder den Druck aufbaute, denn sie wollte später den Abfallschacht so wenig wie möglich benutzen. Die Leichen waren zuerst an der Reihe, gleich jetzt.
    Diesmal war es keine Frage, ob Don den Anfang machte; sie legte ihre zitternden Hände um Meichs Fußgelenke und zerrte ihn zur Schleuse und zur Schubrakete. Sie konnte sich gerade noch beherrschen, hinauszusehen und sich zu vergewissern, ob er auch wirklich davonschoß und nicht etwa irgendwo an der Calgary hängenblieb, um zu ihr zurückzukommen. Aber sie erlaubte sich, zum hinteren Bullauge zu gehen und zuzusehen, wie sein Triebwerk zwischen den tanzenden Sternen verblaßte.
    Dann kam Don. Und danach alles, was nicht niet- und nagelfest war. Sie leerte Fächer, warf sogar Briefe und private Dinge hinaus, die Mädchenfotos von den Wänden, sogar den Wachplan. Alles, alles flog hinaus und umkreiste die Calgary – aber nicht sehr lange.
    Schließlich entriegelte sie die kalte Hauptschleuse und schloß sie wieder.
    Sie konnte nicht warten, bis der Druck wieder aufgebaut war. Sie mußte sich ihren Herzenswunsch erfüllen. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu setzen, sondern ging einfach die Bedienungshandlungen für eine Notzündung durch. Die Calgary war in einer ausgezeichneten Position. Sie schob den Hauptschubhebel herum.
    Langsam, mit beständig wachsender, unerschöpflicher Kraft, verließ die Calgary den Orbit und nahm Fahrt auf, fort vom Uranus und der Sonne hinter ihm, fort von der Menschheit, hinaus in den leeren Raum und zu den

Weitere Kostenlose Bücher