Aus der Asche - Silvanubis #2 (German Edition)
nicht an«, unterbrach sie ihn. »Erstens verkaufe ich schon lange nicht mehr sonderlich viel und zweitens war das …«, Anna hielt inne und dachte nach. »Es war unbezahlbar. Wie sehr hätte Papa das gefallen«, fügte sie gedämpft hinzu.
Peter stand auf und schloss das Fenster. Es war heute zwar angenehm warm gewesen, doch abends kühlte es sich immer noch merklich ab. Er griff nach dem zerkratzten Wasserkessel, setzte ihn neben den Kochtopf auf den Ofen und ließ sich dann erneut zwischen Anna und Edmund nieder.
»Es hätte ihm wirklich sehr gefallen. Er hätte lange davon gezehrt.« Peter schien erneut in Gedanken zu versinken. »Ein bisschen Tee haben wir noch«, fuhr er seufzend fort. »Und jetzt erzählt ihr. Habt ihr Alexanders Familie gefunden?«
Anna lächelte vor sich hin. »… den Phönix auch.«
Kapitel 3
Einblicke
G eistesabwesend schüttete Anna kochendes Wasser auf den provisorischen Filter. Ein verbeulter Aluminiumbecher, in den Peter kurzerhand ein paar Löcher hineingehämmert hatte. Gestern hatte er stolz eine winzige Tüte Kaffeepulver mitgebracht, gerade genug für zwei Kannen. Anna hatte schlecht geschlafen letzte Nacht. Seitdem sie das Amulett und den Brief ihrer Eltern gefunden hatte, besuchte der Phönix sie nicht mehr in ihren Träumen. Trotzdem hatte sie keine Ruhe gefunden. Immer wieder war sie aufgewacht, hatte im Kopf die Tage überschlagen, die seit ihrem ersten Grenzübertritt nach Silvanubis vergangen waren. Seit diesem Zeitpunkt konnte Kyra sie genau neunzig Tage lang für ihre Zwecke missbrauchen. Noch fünf Wochen und sie konnten zurückkehren. Heimkehren? Die längste Zeit, in der Kyra eine Gefahr für sie bedeutete, war vorüber.
Sie war jetzt gut vier Wochen wieder zu Hause, Erin hatte sich einigermaßen erholt, sie selbst fühlte sich kräftig und ausgeruht, wenn auch ständig hungrig. Daran hatte sich nichts, aber auch gar nichts geändert. Die Lebensmittelbeschaffung bestimmte nach wie vor jede Sekunde des Alltags und inzwischen hatte sich in der kleinen Vierergemeinschaft so etwas wie ein Rhythmus eingespielt. Jemand brach früh morgens auf, um mit den Lebensmittelkarten irgendwo anzustehen. Ab und zu gingen sie zu zweit hamstern, denn Annas und Peters Karten machten nicht einmal die eigentlichen Besitzer, geschweige denn zwei weitere hungrige Menschen satt. Anna besuchte mindestens zweimal die Woche Eva Bach, half ihr in dem kleinen Gemüsegarten und brachte abends die ein oder andere Überraschung mit, mal Kräuter für Tee oder Salat und hin und wieder ein Glas Marmelade. Peter und Edmund steckten immer häufiger die Köpfe zusammen und waren in Gespräche verwickelt, die sie offensichtlich nicht mit den Frauen teilen wollten. Ab und zu schnappte sie Wörter auf wie Pixie, Drachen oder Violabeeren, doch sobald sie sich zu ihnen gesellte, verstummten die beiden und warteten so unübersehbar darauf, dass sie wieder verschwand, dass Anna es inzwischen vorzog, sie sich selbst zu überlassen.
Obwohl sie auf ihrem Weg zu Alexanders Mutter stets an dem Wäldchen entlangradelte, hatte sie es bislang sorgfältig vermieden, dem dunklen Grün zu nahe zu kommen. Den Phönix nahm sie jedes Mal aus den Augenwinkeln wahr und ihr Herz schlug dann immer ein wenig schneller, doch sie hielt nicht an, im Gegenteil. Ihre Füße schienen sich selbstständig zu machen, sobald der Wald in Sicht kam. Kräftig trat sie in die Pedale, und erst, wenn sie Wald und Vogel hinter sich gelassen hatte, gelang es ihr, das Tempo wieder zu verlangsamen.
Draußen dämmerte es. Endlich. Ihre Hand schloss sich um das Amulett mit den winzigen Bildern ihrer Eltern. Anna seufzte, so ging das nicht weiter. Alexander … auch an ihn hatte sie heute Nacht denken müssen. So wie jede Nacht. Ich glaube, du wüsstest, wenn es ihm richtig schlecht gehen würde , hatte Peter gesagt. Sie wusste es aber nicht. Noch nicht. Unsicher schielte sie auf die blasse längliche Narbe, die die Phönixfeder hinterlassen hatte, als sie sie vor einer gefühlten Ewigkeit empfangen hatte. Die Verbindung wächst mit der Zeit. Es wird immer leichter werden, dich von dem Phönix führen zu lassen. Durch die Passage oder zu Menschen, die deine Hilfe benötigen. Wenn es Alexander richtig schlecht geht, dann weißt du es. Peter würde wohl wissen, wovon er sprach. Schließlich war sie nicht die Einzige, dem der Phönix eine seiner kostbaren Federn geschenkt hatte. Auch Peter war ein Federträger. Die längliche Narbe
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